Geheimcode Makaze
FORT STEVENS STATE PARK, wurde dann schmaler und zog sich durch dichtes Unterholz. Dirk schaltete herunter, fuhr dann über eine Anhöhe zu einer großen, längst aufgegebenen Geschützstellung über dem Ozean hinab. Die Russell Battery war einer von zahlreichen Verteidigungsposten an der Küste gewesen, die im Bürgerkrieg angelegt, im Zweiten Weltkrieg dann mit schweren, weit tragenden Geschützen bestückt wurden und die Zufahrt zum Columbia sichern sollten. Dirk hatte von hier aus freie Sicht auf das blau schimmernde Wasser an der Mündung des Columbia wie auch auf den DeLaura Beach, an dem sich an diesem Nachmittag zahlreiche Ausflügler tummelten. Dirk atmete ein paarmal tief durch und genoss die frische Seeluft, dann fuhr er auf der schmalen Straße zurück und wäre einmal fast im Gestrüpp gelandet, als er einen entgegenkommenden Cadillac vorbeilassen musste. Etwa vierhundert Meter danach hielt er an einem großen Gedenkstein am Straßenrand. In den mächtigen grauen Granitblock war die detailgenaue Abbildung eines Unterseeboots gehauen, und darunter stand:
Am 21. Juni 1942 explodierte hier eine 14-cm-Granate. Eine von 17, die von dem japanischen Unterseeboot I-25 auf die River Harbor Defense Installations abgefeuert wurden. Der einzige feindliche Beschuss eines Militärstützpunkts auf dem amerikanischen Festland im Zweiten Weltkrieg und der erste seit dem Krieg von 1812.
Während er die Inschrift las, trat er instinktiv von der Straße, als der Cadillac zurückkehrte und langsam an ihm vorbeifuhr, als wolle er keinen Staub aufwirbeln. Dirk musterte eine Zeit lang das in den Stein gehauene U-Boot und wollte dann weggehen. Aber irgendetwas fiel ihm auf, und er schaute erneut hin. Es war das Datum. Der 21. Juni, ein Tag nachdem man Hunt und die drei Jungs tot am Strand gefunden hatte.
Dirk griff in das Handschuhfach des Jeeps und holte ein Handy heraus, lehnte sich dann an die Motorhaube und wählte eine Nummer. Nach viermaligem Läuten dröhnte eine tiefe, muntere Stimme aus dem Hörer.
»Perlmutter.«
»Julien, ich bin’s, Dirk. Wie geht’s meinem Lieblingsmarinehistoriker?«
»Dirk, mein Junge, schön, dass du dich meldest! Ich habe mich gerade an ein paar eingelegten grünen Mangos gütlich getan, die mir dein Vater von den Philippinen geschickt hat. Aber sag mir doch bitte eins: Wie gefällt es dir im großen, weißen Norden?«
»Wir haben unsere Vermessungen vor den Aleuten gerade beendet, daher bin ich wieder an der nordwestlichen Pazifikküste. Die Inseln waren schön, aber für meinen Geschmack war’s dort ein bisschen zu kalt.«
»Herrgott, das kann ich mir vorstellen«, versetzte Perlmutter mit polterndem Bass. »Also, was hast du auf dem Herzen, Dirk?«
»Zweiter Weltkrieg, japanische Unterseeboote, genauer gesagt. Ich möchte wissen, wie viele Angriffe sie auf das amerikanische Festland unternommen haben und ob sie irgendwelche ungewöhnlichen Waffen hatten.«
»Kaiserliche U-Boote, was? Soweit ich mich entsinne, haben sie ein paar eher harmlose Angriffe an der Westküste unternommen, aber ich habe mich seit einiger Zeit nicht mehr mit meinen japanischen Unterlagen aus den Kriegsjahren befasst. Ich werde für dich ein bisschen herumschnüffeln.«
»Danke, Julien. Und noch was. Sag mir Bescheid, wenn du auf irgendeinen Hinweis stößt, dass man Zyanid als Kampfstoff eingesetzt hat.«
»Zyanid? Na, das wäre aber was ganz Scheußliches, nicht wahr?«, versetzte Perlmutter und legte auf.
Nachdenklich betrachtete St. Julien Perlmutter die riesige Sammlung seltener marinehistorischer Bücher und Manuskripte, die er in seiner Remise in Georgetown verwahrte, fand dann aber binnen weniger Sekunden das Material, das er suchte. Mit seinen funkelnden blauen Augen, dem mächtigen grauen Bart und dem ausladenden Bauch, mit dem er rund dreieinhalb Zentner auf die Waage brachte, ähnelte er einem überdimensionalen Weihnachtsmann. Abgesehen davon, dass er ein großer Gourmet und Bonvivant war, galt Perlmutter auch als einer der besten Marinehistoriker der Welt, was zu einem nicht geringen Teil auf seine unvergleichliche Sammlung maritimer Werke zurückzuführen war.
Perlmutter, der wie üblich einen Seidenpyjama und einen seidenen Hausmantel mit rot-goldenem Paisley-Muster trug, tappte über den dicken Perserteppich zu einem Mahagonibücherschrank, wo er etliche Titel musterte, bevor er mit seinen fleischigen Händen ein Buch und zwei Ordner herauszog. Nachdem er sich davon überzeugt hatte,
Weitere Kostenlose Bücher