Geheimcode Makaze
gäbe es sie schon seit sechs, sieben Jahrzehnten. Ein muffiger Geruch nach Staub und alten Büchern hing in der Luft. Dirk ging geradewegs auf einen großen Metallschreibtisch zu, an dem eine etwa fünfzigjährige Frau mit einer modernen Brille und kurzen Haaren saß, die argwöhnisch aufblickte. Eine an ihre Bluse geheftete grüne Plastikkarte verriet ihren Namen: MARGARET.
»Guten Morgen, Margaret. Ich heiße Dirk«, sagte er mit einem Lächeln. »Haben Sie hier Lokalzeitungen aus den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts?«
Die Bibliothekarin taute etwas auf. »Die
Warrenton News
, die 1964 eingestellt wurde. Wir haben Originalausgaben von den dreißiger bis zu den sechziger Jahren. Hier entlang«, sagte sie.
Margaret ging zu einer mit allerlei Mobiliar vollgestellten Ecke der Bibliothek, wo sie etliche Schubladen aus einem Aktenschrank zog, bis sie auf die Ausgaben aus den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts stieß.
»Wonach suchen Sie denn?«, fragte sie eher aus Neugier denn aus Hilfsbereitschaft.
»Ich interessiere mich für einen Artikel über eine einheimische Familie, die im Jahr 1942 an einer Vergiftung starb.«
»Oh, das dürfte Leigh Hunt sein«, rief Margaret, die sichtlich stolz auf ihr Wissen war. »Er war ein Freund meines Vaters. Die Leute hier in der Gegend waren ziemlich entsetzt. Mal sehen, ich glaube, das ist im Sommer passiert«, sagte sie, während sie das Archiv durchblätterte. »Kannten Sie die Familie?«, fragte sie Dirk, ohne aufzublicken.
»Nein, ich bin bloß ein Geschichtsfreak, der sich für rätselhafte Todesfälle interessiert.«
»Da haben wir’s«, sagte die Bibliothekarin und holte eine Tageszeitung vom 21. Juni 1942 heraus. Es war ein dünnes Blatt, das hauptsächlich den Wetterbericht, Gezeitentabellen und Lachsfangstatistiken enthielt, dazu ein paar Lokalnachrichten und Werbung. Margaret breitete die Zeitung auf dem Aktenschrank aus, damit Dirk die Titelgeschichte lesen konnte.
VIER TODESOPFER AM DELAURA BEACH
Leigh Hunt, ein Bürger unserer Stadt, seine Söhne Tad (13) und Tom (11) sowie ein Neffe namens Skip wurden am Samstag, dem 20. Juni, am DeLaura Beach tot aufgefunden. Die vier wollten nach Aussage von Hunts Frau Marie an diesem Nachmittag Muscheln sammeln und kehrten nicht zum Abendessen zurück. Bezirkssheriff Kit Edwards entdeckte die Leichen, die keinerlei Verletzungen oder Anzeichen eines Kampfes aufwiesen. »Als wir keinerlei äußere Spuren fanden, nahmen wir sofort an, dass sie an einer Vergiftung, möglicherweise durch Rauch, gestorben waren. Außerdem hatte Leigh eine Menge zyanidhaltiger Stoffe in seiner Werkstatt, die er zum Ledergerben verwendete«, erklärte Edwards. »Er und die Jungen müssen eine starke Dosis abbekommen haben, bevor sie zum Strand gingen, und dort hat dann die Wirkung eingesetzt«, konstatierte er. Die Beerdigung wird stattfinden, sobald der Bezirks-Coroner die Leichen untersucht hat.
»Gibt es noch einen weiteren Artikel über den Befund des Coroners?«, fragte er.
Margaret blätterte ein weiteres Dutzend Ausgaben der
News
durch, bis sie einen kleinen Artikel fand, der sich auf die vier Todesfälle bezog. Laut las sie den Text vor, demzufolge der Coroner bestätigte, dass der Tod vermutlich durch ein versehentliches Einatmen von Zyaniddämpfen verursacht worden war.
»Mein Vater hat nie geglaubt, dass es ein Unfall war«, fügte Margaret zu Dirks Erstaunen hinzu.
»Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass sie am Strand gestorben sind, wenn sie die Dämpfe in Hunts Werkstatt eingeatmet haben«, sagte Dirk nachdenklich.
»Papa hat das Gleiche gesagt«, erwiderte Margaret, die allmählich etwas zugänglicher wurde. »Und er hat gesagt, die Behörden hätten die Vögel außer Acht gelassen.«
»Vögel?«
»Ja. In der Gegend, in der man die Leichen entdeckte, wurden etwa hundert tote Möwen am Strand gefunden. Fort Stevens, der Army-Stützpunkt, war gleich in der Nähe. Papa hatte immer den Verdacht, dass sie bei irgendeinem Experiment der Army versehentlich umgekommen sind. Ganz genau wird das vermutlich nie einer erfahren.«
»Kriegsgeheimnisse lassen sich manchmal nur schwer knacken«, erwiderte Dirk. »Danke für Ihre Hilfe, Margaret.«
Dirk kehrte zum Jeep zurück, fuhr durch die Stadt, bis er auf die Küstenstraße stieß, und hielt sich dann in Richtung Süden. Kurz darauf bog er auf eine kleine Seitenstraße ab, die als DELAURA BEACH ROAD ausgewiesen war. Sie führte durch ein offenes Tor mit der Aufschrift
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