Geheime Depeschen #2
Neuigkeiten“, bestätigte O`Mally und kratzte sich an der Narbe auf seiner Stirn, die er sich im Golfkrieg durch einen Streifschuss eingefangen hatte. Miller und er waren damals gemeinsam mit einem Konvoi unterwegs und in einen Hinterhalt geraten: Ein an der Straße abgestelltes Fahrzeug war genau im dem Augenblick explodiert, als sie es passierten. Zum Glück traf der Anschlag hauptsächlich das Fahrzeug vor ihnen, offenbar hatte der Attentäter es nicht abwarten können, den Knopf zu drücken, um den Sprengsatz auszulösen. Die Insassen des betroffenen Army-Hummers wurden durch die herumfliegenden Schrapnellteile regelrecht zerfetzt. Auch ihr Fahrzeug bekam einiges ab, den Fahrer erwischte es durch die Windschutzscheibe hindurch direkt am Kopf, eine Radmutter bohrte sich durch das rechte Auge in seinen Schädel.
Die Begleittrupps sicherten sofort den Konvoi und eröffneten das Sperrfeuer auf ein kleines MG-Nest, das unmittelbar nach der Explosion zu schießen begonnen hatte. O`Mally zog Miller, der halb bewusstlos war, aus dem Fahrzeug und versuchte, sie beide in Sicherheit zu bringen. Hierbei streifte ihn ein Querschläger an der Stirn. Die Geschwindigkeit des Geschosses war immer noch groß genug, dass die Patrone einen weiteren Mann hinter O’Mally mitten ins Herz traf.
Ein Sanitätstrupp kümmerte sich sofort um Miller und zog ihn aus der Schusslinie, sie brachten ihn hinter das Auto in eine Senke. O`Mally lief hinterher und ging ebenfalls in Deckung. Aus der Ferne hörte man bereits die Kampfhubschrauber, die von einem First Lieutenant angefordert worden waren. Eine abgefeuerte Cruise Missile beendete den Spuk mit einer lauten Detonation. O`Mally konnte dem ferngelenkten Marschflugkörper zusehen, wie der sein Ziel fand, und er empfand die reine Schadenfreude, als er im Vorbeiflug das auf den Sprengsatz aufgemalte lachende Gesicht mit dem Haifischmaul erkennen konnte.
„Kommen sie herein und schließen sie die Tür. Wir haben einen Grund zum feiern, denke ich.“ Miller öffnete eine Schranktür, hinter der sich eine Minibar befand „Scotch oder Bourbon?“
„Bourbon“, antwortete O`Mally knapp.
„Mit oder ohne Eis?“ Miller fuchtelte mit seiner Zange im Eisbehälter und klapperte im Takt zur Nationalhymne, die er gerade angefangen hatte zu pfeifen. O`Mally runzelte die Stirn. Ein derart gut gelaunter Assistent Director war auch für ihn ein seltener Anblick.
„Mit viel Eis“, unterbrach er Millers Melodie. Der hatte sich bereits mit den Gläsern zu ihm herumgedreht und streckte ihm den Whiskey entgegen.
Dann eben ohne, auch egal, dachte O‘Mally und nahm auf der Sitzgruppe links vor der Eingangstür Platz. Trotz dieser guten Nachrichten wirkte er angespannt, was Miller nicht verbogen blieb. Verkrampft saß er vorgebeugt auf der Couch und hielt das Glas mit beiden Händen fest. Er schaute nach unten.
„Gibt es irgendetwas, das uns diesen wundervollen Tag noch vermiesen könnte?“ Miller setzte sich neben ihn und fragte gespannt nach: „Es läuft doch alles nach Plan, oder?“
O`Mally nickte. „Das ist es ja. Es läuft mir zu glatt.“ Er schaute Miller in die Augen. „Ich habe immer das Gefühl, dass wir was übersehen haben könnten, und grübele die ganze Zeit, was es sein könnte. Die Angelegenheit ist äußerst prekär, eine falsche Aktion, ein falsches Wort kann uns in der Welt blöd dastehen lassen. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte hat sich bereits mit Besorgnis über die Festnahme von Lagrange geäußert und Anspielungen in unsere Richtung gemacht.“
„Die kriegt sich auch wieder ein“, wiegelte Miller ab. „Irgendjemand muss sich doch immer aufspielen. Es gibt viel mehr Regierungen, die auf unserer Seite stehen, als umgekehrt. In ein paar Wochen ist Whistleblow nur noch Schnee von gestern“
„Hier, ich habe Ihnen die aktuellsten News aus der Presse mitgebracht“ O`Mally legte seine Aktenmappe offen auf den Tisch. Miller überflog die Meldungen und las die Überschriften laut vor:
„UN besorgt über Wikileaks-Boykotte! Paypal gibt Spendengelder frei! Klage gegen Visa und Mastercard angekündigt! Hackerangriffe auf Seiten von Internetfirmen.“
Miller warf die Artikel gelangweilt wieder in die Mappe zurück. „Und was davon macht Ihnen Angst? Läuft doch alles prima, der Kopf der Bande im Gefängnis und ein Frauengrabscher, Whistleblow in zwei Lager geteilt, die großen Firmen und Spender kündigen ihnen die Freundschaft, offiziell begehen sie Straftaten
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