Geheime Depeschen #3
weiter anzuziehen „Ich suche die restlichen später. Schickt ihr mir heute Abend noch was? Gut wir telefonieren morgen um 11“ Anna legte auf und fand im Schrank eine Strickmütze. „Ist zwar nicht der letzte Schrei“ bemusterte sie das Teil „so käme sie jedoch ums Haare färben herum“. Sie zog sich komplett an und betrachtete sich im Spiegel. Brille und Mütze hatten ihr Aussehen bereits beträchtlich verändert. Das sollte genügen.
Aschgabad, US-Botschaft, „Iran Watchers“, 28.12.2010
Die geheime Allianz zwischen Amerika und den arabischen Staaten gegen den Iran wurde durch Whistleblow an die Öffentlichkeit getragen. Und auch wenn sich Irans Präsident nach außen hin demonstrativ gelassen gab, es brodelte gewaltig. Zeigten doch die Depeschen auf, dass man sich auf eine bewaffnete Auseinandersetzung vorbereitete und durchaus intensivere Beziehungen zu Israel pflegte, als bisher angenommen. Vor allem sorgten die Amerikaner für eine Aufrüstung der Golfstaaten mit Raketenabwehrtechnik. Die dringendste Frage, die sich die „Iran Watchers“ aktuell stellten, war ob nicht vielleicht Teheran einer der Hauptfinanziers von Whistleblow gewesen sein könnte, da der iranische Präsident plötzlich von mehr Pressefreiheit im eigenen Land sprach, was völlig im Widerspruch zur bisherigen Politik stand. Er soll sich sogar von dem Stabschef der Revolutionswächter hierfür eine Ohrfeige vor dem versammelten Sicherheitsrat eingefangen haben. Und das völlig ohne Konsequenzen? Präsident Akbakarrdinawi war eher für andere Reaktionen bekannt. So nutzte er mit viel Raffinesse das undurchsichtige Milieu iranischer Kampfsport-Clubs, um sich unliebsamer Regimekritiker zu entledigen. Warum nicht jetzt? Aus Irans Innenministerium wurden ausgerechnet die Amerikaner über Mittelsmänner aufgefordert wegen massiver Flüchtlings – und Drogenprobleme mal die Feindschaft beiseite zu lassen und mit dem Iran zusammen zu arbeiten. Woher diese plötzliche Trendwende? Finanzierte sich der Iran doch zu einem Großteil aus Geldern, die von Kurden stammten, die ungehindert im Land ihrem Droggenschmuggel nachgingen. Mal völlig abgesehen davon, dass die umliegenden Staaten immer noch Angst vor möglichen Atombomben hatten, behauptete Präsident Akbakarrdinawi kürzlich, die aktuellen Enthüllungen von Whistleblow seien von der US-Regierung inszeniert worden.
Selbst die „Iran Watchers“ in Aschgabad blickten bei diesem Verwirrspiel schon lange nicht mehr durch. War das die Stärke Akbakarrdinawis, um von anderen Dingen abzulenken?
O`Mally war genau wegen dieser Fragen nach Aschgabad gereist, um sich ein Bild vor Ort zu machen. Aber nicht nur deswegen. Er hatte den Auftrag, einer noch ganz anderen Spur nachzugehen. Sollten die Depeschen Amerika so diskreditieren, dass ihnen Verhandlungen mit den wichtigsten Energielieferanten erschwert wurden? Immerhin nahmen die Berichte zu den Vereinigten Arabischen Emiraten einen großen Prozentsatz ein. Turkmenistan sitzt auf einer der weltweit größten Gasblasen, deren Vorkommen über Russlands Pipeline die Energieversorgung Europas sicherstellen. Der Iran belieferte im Schwerpunkt Japan, China und die Türkei. Amerika importiert in etwa ein Drittel seines Bedarfs an Erdöl, wobei zwanzig Prozent aus dem Nahen Osten stammen, vorrangig Saudi Arabien.
Der Bedarf nach diesem Rohstoff hatte sich in den vergangenen dreißig Jahren vervierfacht und sie verbrauchten heute doppelt soviel Erdöl als China. Und auch beim Erdgas ist der Höchststand der Produktion längst überschritten, so dass die vereinigten Staaten zukünftig mehr auf Importe angewiesen sein dürften. Insofern ist es umso wichtiger gute Wirtschaftsbeziehungen zu den Ressourcenführenden Ländern zu haben. Kompromitierende Äußerungen, seit Whistleblow sogar belegt, konnten solchen Allianzen durchaus Schaden zufügen und dem energiehungrigen Amerika ernsthafte Probleme bereiten. Das legte die Vermutung nah, dass William Lagrange`s Whistleblow nur die Spitze des Eisbergs sein konnte.
O`Mally hatte sich mit zwei der unzähligen Privatfirmen in der US-Botschaft verabredet, die seit 9/11 im Rahmen der „Terrorbekämpfung“ im Auftrag der USA tätig waren. Heute existierten sage und schreibe über eintausendneunhundert solcher Firmen und eintausenddreihundert staatliche Organisationen, die für die innere Sicherheit und das Sammeln von Geheimmaterial zuständig waren. Diese Sammelwut erschwerte es jedoch durch
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