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Mord im Spiegel

Mord im Spiegel

Titel: Mord im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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    M iss Marple saß am Fenster und blickte in ihren Garten hinaus, der einst eine Quelle des Stolzes und der Freude für sie gewesen war. Doch das war lange vorbei. Wenn sie heute hinaussah, tat ihr das Herz weh. Schon seit einiger Zeit hatte ihr der Arzt alle Gartenarbeit verboten. Kein Bücken mehr, kein Graben und Pflanzen – höchstens ab und zu einen kleinen Ast abschneiden. Der alte Laycock, der dreimal in der Woche kam, tat sein Bestes, zweifellos. Aber wie die Dinge nun einmal lagen, war sein Bestes nicht sehr viel, obwohl er das glaubte, im Gegensatz zu seiner Arbeitgeberin. Miss Marple wusste genau, was Laycock im Garten machen sollte und wann er es machen sollte, und besprach ihre Wünsche mit ihm. Doch der alte Laycock hatte ein besonderes Talent, ihr mit großer Begeisterung zuzustimmen und danach nichts zu unternehmen.
    »Sie haben völlig Recht, Miss Marple«, meinte er zum Beispiel. »Der Klatschmohn sollte dort drüben stehen, und die Glockenblumen pflanzen wir an der Mauer. Und wie Sie sagen, sollte man es gleich Anfang nächster Woche in Angriff nehmen.«
    Die Ausflüchte, die Laycock erfand, wirkten sehr glaubwürdig und erinnerten an jene, die Kapitän George in »Drei Mann in einem Boot«, vorgebracht hatte, um nicht in See stechen zu müssen. Im Falle des Kapitäns blies der Wind immer aus der falschen Richtung, mal vom Land her, mal vom Meer, oder es wehte ein launischer Westwind oder ein tückischer Ostwind. Bei Laycock war es das Wetter. Zu trocken – zu nass – der Boden zu feucht – ein Hauch Frost in der Luft. Oder etwas unerhört Dringendes musste vorher erledigt werden. Gewöhnlich hatte es mit Kohl oder Rosenkohl zu tun, was er beides in ungeheuren Mengen zog. Laycocks eigene gärtnerische Prinzipien waren simpel, und kein Arbeitgeber, wie sachkundig er auch war, konnte ihn von ihnen abbringen.
    Diese Prinzipien bestanden vor allem darin, zur Aufmunterung zahllose Tassen Tee zu trinken, süß und stark, im Herbst ständig Blätter zusammenzurechen und eine gewisse Anzahl seiner eigenen Lieblingsblumen für den Sommer in ein Beet zu pflanzen, hauptsächlich Astern und Malven, »damit es hübsch aussieht«, wie er sagte. Er war auch sehr dafür, die Rosen gegen die grüne Blattlaus zu spritzen, doch es dauerte lange, bis er es tat, und der Bitte, für die Wicken tiefe Rillen zu ziehen, wurde gewöhnlich mit der Bemerkung begegnet, dass man seine eigenen Wicken hätte sehen sollen. Die waren im vergangenen Jahr eine richtige Pracht gewesen, ganz ohne besondere Pflege.
    Um fair zu sein: Er war sehr anhänglich und hatte Verständnis für die Schwächen seiner Arbeitgeber, was ihren Garten betraf – solange nicht zu viel Arbeit damit verbunden war –, doch eigentlich ließ er nur Gemüse als wirklich wichtig gelten, hübschen Wirsing oder ein wenig Grünkohl. Blumen waren ein Luxus, den die Damen liebten, weil sie mit ihrer Zeit nichts Besseres anzufangen wussten. Er zeigte seine Zuneigung, indem er Pflanzen wie die schon erwähnten Astern oder Malven anschleppte, dazu Lobelien und Sommerchrysanthemen.
    »Ich habe drüben in der neuen Siedlung gearbeitet. Hübsche Gärten hat man dort geplant, sehr hübsch. Sie haben mehr Pflanzen, als sie brauchen, da habe ich ein paar mitgebracht. Ich steck sie bei den altmodischen Rosen rein. Die sind nicht mehr besonders.«
    Als Miss Marple daran dachte, senkte sie den Blick und nahm das Strickzeug wieder auf.
    Man musste sich mit den Tatsachen abfinden: St. Mary Mead war nicht mehr so wie früher. In gewisser Weise war natürlich nichts mehr so wie früher. Man konnte dem Krieg – beiden Kriegen – die Schuld geben, oder den jungen Leuten, oder weil die Frauen heute arbeiteten, oder der Atombombe, oder ganz einfach der Regierung – aber was man in Wirklichkeit damit sagen wollte, war die klare Tatsache, dass man alt wurde. Miss Marple, die eine sehr vernünftige alte Dame war, wusste dies sehr gut. Es war nur so, dass sie es in gewisser Weise in St. Mary Mead mehr spürte. Vielleicht, weil sie hier schon seit so langer Zeit lebte.
    St. Mary Mead, den alten Ortskern, gab es immer noch. Den »Blue Boar«, und die Kirche und das Pfarrhaus und die kleine Ansammlung von Queen-Anne-Häusern und georgianischen Villen, zu denen auch ihr Haus gehörte. Auch Miss Hartnells Haus gab es noch, wie auch Miss Hartnell selbst, die bis zum letzten Atemzug den Fortschritt bekämpfen würde. Miss Wetherby war gestorben, und in ihrem Haus wohnte jetzt der

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