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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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für die Sechs-Uhr-Nachrichten. Die Welt hat sich seit zwei Uhr nicht weitergedreht.
    Ich versuche mich durch Essen abzulenken. In dem winzigen K ühlschrank finden sich die Hälfte der Pizza von vorgestern, Knoblauchwurst, Pumpernickel, Gewürzgurken, mein Marmite. Als Hannah frisch aus Uganda nach London gekommen war, hat sie mit einer deutschen Krankenschwester zusammengewohnt, da her ihre urspr üngliche Annahme, alle Engländer äßen Bockwurst und Sauerkraut. Und daher auch das silberne Päckchen Pfefferminztee in Mr. Hakims Kühlschrank. Nach bewährter Krankenschwesternart stellt Hannah alles in den Kühlschrank, egal, ob verderblich oder nicht. Was du nicht sterilisieren kannst, das kühle, lautet ihre Devise. Ich wärme die Butter an, damit ich sie besser verstreichen kann. Schmiere Marmite darauf. Esse langsam. Schlucke vorsichtig.
    Die Nachrichten um sieben sind die gleichen wie um sechs Uhr. Kann es wirklich sein, da ß die Welt seit geschlagenen fünf Stunden stillsteht? Ich gehe ins Internet und überfliege die Schlagzeilen des Tages.
    Selbstmordattentate in Bagdad: vierzig Tote, Hunderte von Verletzten – oder andersherum? Der neuernannte Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen legt in weiteren fünfzig Punkten Widerspruch gegen Reformvorschläge ein. Der französische Präsident begibt sich ins Krankenhaus – oder wird aus dem Krankenhaus entlassen. Seine Beschwerden unterliegen der Geheimhaltungspflicht – aber es klingt so, als ob er ein schlimmes Auge hat. Unbestätigten Berichten aus der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa zufolge ist es im Osten des Landes zu spontan aufflammenden Kämpfen zwischen rivalisierenden Milizen gekommen.
    Hannahs Regenbogenhandy tr ällert. Ich sprinte hinüber und laufe mit dem Telefon zurück zum Laptop.
    »Salvo?«
    »Hannah. Wunderbar Hi.«
    Wie aus gutunterrichteten Kreisen in Kinshasa verlautet, macht die kongolesische Regierung »imperialistische Elemente in Ruanda « dafür verantwortlich. Ruanda weist die Vorwürfe zurück.
    »Ist alles in Ordnung, Salvo? Ich liebe dich so.« Auf Französisch, der Sprache unserer Liebe.
    »Mir geht’s gut. Bestens. Ich sehne mich nur so nach dir. Und wie geht es dir?«
    »Ich lieb dich so sehr, daß es schon nicht mehr feierlich ist, Salvo. Grace sagt, sie hat noch nie erlebt, daß ein so normaler Mensch derart den Verstand verlieren kann.«
    Aus dem Grenzgebiet zu Ruanda werden keine Unruhen oder ungew öhnlichen Verkehrsbewegungen gemeldet.
    Ich k ämpfe an drei Fronten zugleich, was Maxie bestimmt nicht gutheißen würde. Während ich versuche, gleichzeitig zu lesen und mich zu unterhalten, überlege ich, ob ich ihr sagen soll, was ich soeben erfahre, obwohl ich gar nicht weiß, ob es um unseren Krieg geht oder um einen ganz anderen.
    »Weißt du was, Salvo?«
    »Was denn, mein Liebling?«
    »Seit ich dich kenne, habe ich drei Pfund abgenommen.«
    Das mu ß ich erst einmal verarbeiten. »Daran ist die ungewohnte sportliche Betätigung schuld!« rufe ich dann. »Daran bin ich schuld!«
    »Salvo?«
    »Ja?«
    »Ich habe etwas getan, Salvo. Etwas Schlimmes, was ich dir sagen muß.«
    Ein Mitarbeiter der britischen Botschaft in Kinshasa hat Ger üchte um eine von Briten angeführte Söldnertruppe in der Region als »haltlos und absurd« bezeichnet.
    Jawohl! Genau! Bis zu dem Coup sind es schlie ßlich noch ganze neun Tage! Oder hat Brinkley etwa den Startschuß gegeben, kaum daß ich zur Tür hinaus war?
    »Nein. Du hast nichts Schlimmes getan. Es ist alles in Ordnung. Wirklich! Vollkommen in Ordnung. Ich weiß Bescheid. Du kannst es mir erzählen, wenn du wieder da bist!«
    Im Hintergrund schrille Kinderstimmen.
    »Ich muß wieder rein, Salvo.«
    »Natürlich! Geh ruhig! Ich liebe dich!«
    Ende der Z ärtlichkeiten. Ende des Gesprächs.
    Vier Schweizer Flugzeugmechaniker, die ins Kreuzfeuer geraten sind, haben den UN-Kommandanten in Bukavu um Schutz ersucht.
    Ich sitze im Korbsessel, jetzt wieder das Radio auf dem Tisch neben mir, und studiere Mrs. Hakims Tapete, w ährend Gavin, unser Zentralafrikakorrespondent, das bis dato Geschehene zusammenfaßt:
    Die kongolesische Regierung in Kinshasa behauptet, mittels einer brillanten Sicherheitsoperation, die auf erstklassiger Geheimdienstarbeit beruht, einen von Ruanda unterst ützten Putschversuch vereitelt zu haben.
    Kinshasa verd ächtigt Frankreich und Belgien der Mittäterschaft, will aber auch die Beteiligung weiterer ungenannt bleibender westlicher Mächte nicht

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