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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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nicht wahr, Arthur?«
    »Von uns aus kann er hingehen, wo er will«, bestätigt Arthur aus dem Erker. »Hauptsache, er geht.«
    Und die m ütterliche Sam pflichtet Philip und ihm inbrünstig bei. »Hannah findet es auch sehr sinnvoll, Salvo. Aber es stellt sich ja sowieso die Frage, warum wir uns Afrikas beste Pflegekräfte aneignen sollten. Da unten werden sie händeringend gesucht. Und überlegen Sie doch, Salvo, was hält Sie denn in England, ohne Hannah? Zu Penelope werden Sie ja wohl nicht wieder zurückwollen?«
    F ür Philip ist die Sache damit erledigt, er nimmt meine Umhängetasche, macht sie auf und legt die Stenoblöcke und Bänder abgezählt auf den Tisch.
    »Wunderbar.« Er klingt wie ein Zauberer, der sich an seinem eigenen Trick begeistert. »Plus die beiden von Hannah ergibt sieben. Damit wären wir komplett. Es sei denn, Sie hätten Kopien gemacht. Dann wäre Ihnen wirklich nicht mehr zu helfen. Gibt es Kopien?«
    Pl ötzlich bin ich so schläfrig, daß er meine Antwort nicht verstehen kann, und ich muß sie wiederholen, vermutlich wegen der Mikrophone.
    »Wäre zu gefährlich gewesen«, lalle ich noch einmal und versuche, wieder einzuschlafen.
    »Und ich darf davon ausgehen, daß Sie nur das eine Exemplar von J’accuse! hatten? Den Ausdruck, den Sie Thorne gegeben haben?« fährt er fort, um auch die letzten Einzelheiten noch rasch unter Dach und Fach zu bringen.
    Ich mu ß wohl genickt haben.
    »Gut. Dann brauchen wir also nur noch Ihre Festplatte zu zertrümmern«, sagt er erleichtert und winkt die blonden Knaben aus dem Korridor herein, die mich losbinden, aber fürs erste auf dem Boden liegenlassen, bis mein Kreislauf wieder in Schwung kommt.
    »Wie geht es eigentlich Maxie?« erkundige ich mich, um ihm vielleicht wenigstens ein schamhaftes Erröten auf die faltenlosen Wangen zu zaubern.
    »Ach ja, der arme Maxie. Zu schade um ihn!« seufzt Philip, als hätte ich ihn an einen alten Freund erinnert. »Der Beste in der ganzen Branche, sagen alle – nur lei der so halsstarrig! Und wie dumm von ihm, einen Fehlstart hinzulegen. «
    »Sie meinen, dumm von Brinkley«, schlage ich vor, aber der Name sagt ihm nichts.
    Es ist ein ziemlicher Akt, mich wieder auf die Beine zu stellen. Nach dem Schlag auf den Kopf bin ich schwerer als vorher, und ein Knabe reicht nicht aus. Sobald ich mich aufrecht halten kann, baut sich Arthur vor mir auf und zieht sehr amtlich sein Jackett stramm. Er greift in die Innentasche und holt einen braunen Briefumschlag mit dem Aufdruck On Her Majesty ’ s Service hervor. Ich lasse ihn mir widerstandslos in die Hand drücken.
    »Sie haben diesen Bescheid in Anwesenheit von Zeugen entgegengenommen«, verkündet er, wie an ein größeres Publikum gerichtet. »Bitte lesen Sie ihn. Unverzüglich.«
    Als mir die Buchstaben endlich nicht mehr vor den Augen verschwimmen, teilen sie mir mit, da ß ich eine unerwünschte Person bin. Arthur reicht mir einen von Hajs Parker-Füllern. Nach einigem Herumgestochere lande ich auf dem Papier und setze krakelig meine Unterschrift darunter. Hände werden nicht geschüttelt. Dafür sind – oder waren – wir zu britisch. Die beiden Knaben nehmen mich in die Mitte. Wir gehen in den Garten, und sie bringen mich zum Tor. Es ist ein drückend heißer Tag. Wer nicht in den Sommerferien ist, der hat Angst vor Bomben, weshalb die Straßen wie leergefegt sind. Ein dunkelgrüner Transporter ohne Beschriftung und ohne Fenster wartet vor dem Haus. Der gleiche Transporter, der vor der Pension der Hakims geparkt stand, vielleicht sogar derselbe. Vier M änner in Drillich-Overalls steigen aus und kommen auf uns zu. Ihr Anführer trägt eine Polizeimütze.
    »Macht der Ärger?« fragt er.
    »Der? Nicht mehr«, sagt ein blonder Knabe.
     

20
    Ein Dolmetscher, Noah, der nichts zu dolmetschen hat, und sei er auch der beste seines Fachs, treibt ziellos dahin, ein Spielball der Wellen. Deshalb habe ich all dies aufgeschrieben, ohne noch recht zu wissen, f ür wen, aber jetzt weiß ich, daß es für dich war. Es wird noch ein paar Jahre dauern, bevor du meine babylonische Keilschrift, wie Mr. Anderson sie immer nannte, zu entziffern bekommst, und bis dahin bin ich hoffentlich bei dir und kann dich dabei anleiten. Allzu schwierig dürfte es nicht werden, wenn du weiter so fleißig Swahili lernst.
    Mein lieber Adoptivsohn, h üte dich im Leben vor Wörtern, die mit SONDER- anfangen. In Verbindung mit anderen Substantiven drückt es oft nichts Gutes aus. Eines Tages

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