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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Haltung da, kaute an demselben Brötchen, Käse mit Essiggurke, las dasselbe Militärmagazin oder las es vielleicht auch nicht, und das alles mit derselben überlegenen Genugtuung, die mir vorhin so auf die Nerven gefallen war.
    Sicherheitshalber schaltete ich in die Bibliothek zur ück, während ich mich zu fassen versuchte. Der Mwangaza stellte die Veröffentlichung einer Auswahl seiner Gedanken zur Demokratie in Afrika in Aussicht. Am Nebentisch fachsimpelten Philip, Maxie und Dieu-donné über Bewässerungsmethoden. Ein paar irrwitzige Sekunden lang redete ich mir ein, ich hätte mir den Schrei nur eingebildet, aber sehr überzeugend kann ich nicht gewesen sein, denn im nächsten Atemzug war ich schon wieder im Salon des Mwangaza.
    Und hier g önne ich mir den Luxus des Vorgreifens, denn ich mußte noch etliche weitere Schreie über mich ergehen lassen, bevor ich die übrigen dramatis personae hinlänglich ermittelt hatte. So hatte ich schon fr üh festgestellt, daß, obwohl mehrere Paar Füße im Einsatz zu sein schienen – zwei Paar hochaktiver Gummisohlen auf hartem Boden sowie ein Paar leichter Ledersohlen, die ich probeweise dem katzenhaften Tabizi zuordnete –, jedes Klacken von Krokoschuhen fehlte, woraus ich schloß, daß Haj entweder irgendwie überm Boden hing oder aber schuhlos war, wenn nicht beides. Dennoch bedurfte es noch einiges mehr an Dialog zwischen Haj und seinen Peinigern, bis ich mit Gewißheit sagen konnte, daß er gefesselt und, zumindest von der Taille abwärts, nackt war.
    Die Schreie, die ich h örte, waren zwar dicht am Mikrophon, aber leiser und quiekender als zunächst gedacht, gedämpft durch ein Handtuch oder dergleichen, das gelüftet wurde, wenn Haj signalisierte, daß er etwas von Interesse zu sagen hatte, und ihm wieder in den Mund gestopft wurde, wenn die Antwort enttäuschte. Allem Anschein nach machte Haj für den Geschmack seiner Peiniger etwas zu oft von diesem Signal Gebrauch, wodurch es mir vergönnt war, erst Benny zu identifizieren – »Probier das noch mal, und ich schmor dir die Eier weg« – und gleich nach ihm Anton, der Haj in Aussicht stellte, ihm »das da« in den Arsch zu schieben.
    Was war das da?
    Wir h ören so viel über Folter dieser Tage, debattieren so viel darüber, ob Geräuschentzug, Wasserkur und Säcke überm Kopf darunterfallen oder nicht, daß nur wenig der Phantasie überlassen bleibt. Das da wurde elektrisch betrieben, so viel war schnell klar – da war zum einen Antons Drohung, ein bißchen mehr Saft zu geben, und dann der Moment, wo Benny Tabizi grob anfuhr, weil der über die Scheiß-Strippe gestolpert war. War das da also ein Elektroschocker? Ein Paar Elektroden? Wenn ja, lautete die Anschlußfrage: Wie waren sie an das da herangekommen? Hatten sie es als Teil ihrer Standardausrüstung mitgebracht, nur für alle Fälle – so wie andere Menschen an einem bewölkten Tag mit Regenschirm aus dem Haus gehen? Oder hatten sie es spontan zusammengebastelt – aus einem Stück Kabel hier, einem Umspanner da, einem Dimmerschalter, einem alten Schürhaken, und los geht’s?
    Und wenn das zutraf, wer hatte ihnen dann am ehesten zur Seite gestanden mit seinem Technikverstand und Geschick? – weshalb ich selbst im tiefsten Inneren Aufruhr Muße fand, mir Spiders Lächeln noch einmal anzusehen. Es lag ein unübersehbarer Schöpferstolz darin. War er deswegen von seinem Posten wegbeordert worden? Damit er den Jungs mit den Sachen aus seinem Werkzeugkasten einen Elektroschocker baute? Einen seiner berühmten Muntermacher, mit dem man im Nu Herz und Verstand noch des störrischsten Gefangenen erobert? Wenn, dann hatte die Aufgabe ihm jedenfalls nicht den Appetit verdorben, denn er kaute herzhaft.
    Ich habe nicht den Ehrgeiz, hier mehr wiederzugeben als den groben Verlauf von Tabizis Befragung und Hajs vergeblichem Leugnen, welches mit dankenswerter Geschwindigkeit zur Beichte verkam. Die kehligen Drohungen und Fl üche auf der einen, das Schreien, Schluchzen und Flehen auf der anderen Seite mag sich jeder selbst ausmalen. Tabizi war eindeutig kein Neuling im Foltern. Seine lakonischen Drohungen und theatralischen Wutausbr üche, durchsetzt mit Anfällen des Bettelns und Schmeichelns, sprachen von langjähriger Übung. Und Haj war, trotz seiner anfänglichen Rebellenpose, mitnichten ein Stoiker. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß er sehr lange durchhalten würde unter der Peitsche.
    Erw ähnenswert auch, daß Tabizi nichts unternahm, um seine Quelle

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