Geheime Tochter
können.«
»Och, eigentlich nicht«, sagt ihr Dad. »Wir kochen gern zusammen. Ich mache noch viel falsch, aber Asha hat Geduld mit mir.« Er legt einen Arm um sie.
»Übrigens«, sagt Paula, »heute Abend findet auf dem Campus eine bhangra – Party statt. Kommen Sie doch auch. Es soll ein toller DJ auflegen.«
»Im Ernst, bhangra? «, fragt ihr Vater. Asha sieht das verwirrte Gesicht ihrer Mutter.
»Oh, wir wollen nicht stören«, sagt ihre Mom. »Amüsiert euch lieber ohne uns.«
»Okay, dann sehe ich euch zwei morgen früh im Hotel zum Brunch?«, fragt Asha.
»Klar, Schätzchen.« Ihre Mutter beugt sich vor und gibt ihr einen Kuss. »Bis dann.«
Ihre Mutter schiebt ihr ein in Geschenkpapier eingepacktes Päckchen mit einer großen gelben Satinschleife über den Tisch zu. Asha stellt ihren Orangensaft hin und schaut zwischen dem strahlenden Gesicht ihrer Mutter und der neutralen Miene ihres Vaters hin und her. »Was ist das?«
»Ein frühes Geburtstagsgeschenk«, sagt ihre Mutter. »Na los, mach es auf.«
Asha tut wie geheißen, und eine neue Mini-Videokamera kommt zum Vorschein.
»Ich habe dran gedacht, wie gern du letzten Sommer auf Hawaii unsere benutzt hast.« Ihre Mutter lächelt und blickt ihren Dad an. »Und außerdem hast du gesagt, du würdest gern deine Interviews aufnehmen, damit dir nichts entgeht.«
Asha lächelt. Sie erinnert sich an das Gespräch mit Mom, aber sie meinte einen Audiorekorder.
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie groß die Auswahl ist«, fährt ihre Mom fort. »Aber der Mann im Elektroladen hat gesagt, die hier hätte die besten Funktionen – ein Zoomobjektiv und einen Computeranschluss. Du kannst sie direkt zur Bildbearbeitung an deinen Mac anschließen.«
»Danke, Mom«, sagt Asha. »Die ist toll. Ich kann’s kaum erwarten, sie zu benutzen.« Sie hält die Kamera ans Auge und richtet sie auf ihren Vater. »Na los, Dad – lächeln!«
29
Das richtige Leben
Mumbai, Indien – 2004
Kavita
»Glaubst du wirklich, sie würde einfach so mit seinem besten Freund durchbrennen?«, fragt Kavita und hakt sich bei Jasu ein, als sie das Kino verlasen.
»Natürlich nicht, chakli . Das ist doch nicht das wahre Leben, sondern bloß ein Film.« Er legt ihr einen Arm um die Schultern und führt sie über die Straße, als sich eine kleine Lücke im Verkehr auftut.
»Wieso machen sie dann solche Filme? Über Sachen, die nie passieren?«, fragt sie, als sie die andere Seite sicher erreicht haben.
»Zum Zeitvertreib, chakli! «
»Hmmm.« Die Vorstellung, sich einfach die Zeit zu vertreiben, ist Kavita fast so fremd wie der Gedanke, dass sie es sich jetzt leisten können, spontan ins Kino zu gehen.
»Wonach ist dir jetzt, chakli? Vielleicht was Kaltes?«, fragt er, als sie sich einem Eiscafé nähern.
»Ja, ich hätte gern einen kalten Kaffee«, antwortet Kavita. Sie hat die süße, cremige Köstlichkeit erst kürzlich entdeckt und kann ihr an einem warmen Abend wie heute kaum widerstehen. Früher hat sie sich immer über die Leute gewundert, die vor diesen Cafés Schlange standen, um ihre schwer verdienten Rupien für so einen Luxus auszugeben.
» Ek kalten Kaffee, ek pista – Eis«, sagt Jasu zu dem Mann,der mit einer Nehru-Mütze aus Papier hinter der Theke steht. Ein paar Minuten später reicht er seiner Frau das Getränk in einem großen Becher, und sie schlendern weiter. Die Straßen und Bürgersteige sind überfüllt. Es ist Samstagabend, der einzige Abend in der Woche, an dem anscheinend ganz Mumbai seine Sorgen abschüttelt und ausgeht. Die Restaurants sind voll mit Familien, und später werden sich vor den beliebten Nachtklubs lange Schlangen bilden. Diese Welt ist eine noch recht neue Entdeckung für Kavita und Jasu.
Es fing vor einigen Jahren an, als Vijay sie in ein richtiges Restaurant einlud, um seinen sechzehnten Geburtstag zu feiern. Es war ihr allererster Besuch in einem Restaurant mit blendend weißen Tischdecken. Vijay hatte erfolgreich die zehnte Klasse abgeschlossen und mit seinem Freund Pulin eine Botenfirma aufgemacht. Kavita und Jasu wäre es nach wie vor lieber, er würde einen anderen Weg einschlagen. » Beta , du bist so ein gescheiter Junge. Du hast eine gute Schulbildung, anders als wir. Wieso willst du so was Normales machen wie eine Botenfirma?«, fragte Jasu. »Du hast das Zeug zu sehr viel mehr. Wieso suchst du dir nicht einen guten Bürojob?«
»Papa, das ist ein guter Job«, sagte Vijay. »Ich bin der Boss. Niemand sagt mir, was ich zu tun
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