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Geheimes Verlangen

Geheimes Verlangen

Titel: Geheimes Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Redfern
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entgangen. Sie hat gesagt: »Das ist nicht fair – schau mal, wie ich angezogen bin.« Dabei hat sie vorwurfsvoll die Stirn in Falten gelegt, als hätte er sie hintergangen. Der alte Pullover, den sie trägt, hat unten an den Ärmeln Löcher für ihre Daumen. Sie setzt Wasser auf, dann mustern sich die beiden aus sicherer Distanz über den cremefarbenen Fliesenboden hinweg. »Ich hasse dich«, sagt er, und sie lächelt. Ihre Schneidezähne sind merkwürdig grau, durch einen Unfall an den Wurzeln zerstört. Sie hat nichts an den Füßen, nur gestreifte Socken, ihre Stiefel liegen draußen vor der Tür. Sie lächeln, treten verlegen von einem Fuß auf den anderen und starren zu Boden.
    Sie kommen sich albern vor und betrachten sich mit ungläubigem Staunen. Während der Tee zieht, geht er ins Arbeitszimmer, um sich ihre Büchersammlung anzuschauen. Er hält in den Regalen Ausschau nach Büchern, die er gelesen hat, doch jedes Wort, das er dort liest, kommt ihm fremd vor. Die dunkelblauen Wände sind mit Bildern bestückt, von denen er kein einziges kennt. Auf dem wuchtigen braunen Schreibtisch steht ein gerahmtes Schwarzweißfoto, auf dem vier Kinder ernst in die Kamera blicken. Er erkennt sie unter ihren Geschwistern sofort. Als er am Hals ein Kribbeln verspürt, macht er eine Kopfbewegung. Draußen vor dem Fenster sieht er einen großen Hund, der die Pfoten auf die Fensterbank gelegt hat und ihn mustert. Ihr Cerberus, denkt er, ihr Schweißhund. »Scheint so, als ob ich hier nicht sehr willkommen bin«, murmelt er, und die Bestie pflichtet ihm bei.
    Von nebenan klingt Musik herüber. Sie tritt durch die Tür, in jeder Hand eine große Tasse Tee. Sie stellt die Becher auf das Bücherregal, tritt einen Schritt zurück, scheint verärgert. Der Tee sieht ungenießbar aus – fleckig und orange. Eine geübte Gastgeberin ist sie nie gewesen. »Entschuldigung«, sagt sie. Als er sie so nachlässig gekleidet und beschämt vor sich sieht, ist sein Entzücken im ersten Augenblick stärker als sein Begehren. Er möchte sie küssen, sie schütteln, die Zeit zurückdrehen. Die Auskunft, dass er sie hasst, ist durchaus kein Spaß gewesen, vielmehr die reine Wahrheit. Er wünscht, er hätte sie nie gesehen. Er hat das Gefühl, dass sie ihn mürbe macht, dass die klaren Konturen seines Lebens anfangen zu bröckeln, sich aufzulösen. Er findet sie nicht schön, was sie auch nicht ist. Vielmehr ist sie die Strafe für ein unbekanntes, zufälliges, anscheinend unverzeihliches Verbrechen. Er möchte alles zurück, was sie ihm genommen hat: seine Heiterkeit, seine Ausgeglichenheit, seine Vertrauenswürdigkeit. Er möchte neben ihr liegen, ihre Brust mit den Lippen berühren, an ihren Hand-, ihren Fußgelenken lecken, die Dunkelheit zwischen ihren Beinen erkunden. Die Vorstellung, dass er nichts weiter ist als ein Mann, stimmt ihn traurig.
    Ihre Augen sind auf die Becher gerichtet, auf den fleckigen Tee. Sie sagt: »Du brauchst das Zeug nicht zu trinken, wenn du nicht möchtest.«
    »Danke«, sagt er. »Da bin ich aber erleichtert.« Und sie sieht ihn mit einem schiefen Grinsen an. Merkwürdig, dass er dort steht, dieser Mann, der außerhalb dieses Zimmers zwar ein richtiges Leben hat, der aber trotzdem schon lange unter diesem Dach lebt, zumindest als Fantasiegebilde. Wie seltsam, dass er tatsächlich Gestalt angenommen hat und durch die Eingangstür in ihr Haus getreten ist. Sie steht mit hängenden Schultern da und fragt schelmisch: »Und was führt dich hierher?«
    Später wird er begreifen, dass er in diesem Augenblick – ohne großes Tamtam, ja sogar leichthin – die gesamte schwergewichtige Kostümierung seines bisherigen Lebens von sich abgeworfen hat – und zwar genau in dem Moment, als er ihre Frage mit der blasierten Antwort bescheidet: »Ich würde gern das ganze Haus sehen.«
    Sie bedenkt kurz, was er gerade gesagt hat, weiß instinktiv, was in ihm vorgegangen ist. Dann tritt sie einen Schritt zurück und macht mit der Hand eine einladende Geste.
    Zum Schlafzimmer sind es nur ein paar Schritte durch den Gang. Von allen Zimmern ist dieser Raum am spartanischsten eingerichtet. Er tritt über die Schwelle wie ein Heide in eine Kathedrale – mit einem Anflug von Angst und mit großen Augen. Die Wände sind in einem wasserblauen Ton gehalten, der Teppich ist blutrot, die Zimmerdecke taubenweiß. Das Fenster steht offen, der Lamellenstore schaukelt im Wind und stößt sanft gegen den Fensterrahmen. Er überlegt, ob ihn das

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