Geheimnis der Leidenschaft
Leben seines Vaters und seiner Onkel, seiner Großväter und Großonkel und Urgroßväter, von den
Frauen, die sie geheiratet hatten, den Kindern, die schon jung gestorben waren, und denjenigen, die überlebt hatten, von den Menschen, die aufgebaut und den Menschen, die zerstört hatten.
Diese Geschichten wurden ihr mit den rauen Worten eines Mannes erzählt, der beinahe dreimal so alt war wie sie, eines Mannes, dessen Vorfahren das Beste und das Schlimmste gekannt hatten, das der Westen ihnen bieten konnte. Es war auch ihre eigene Geschichte, denn Masons Familie hatte mehr als hundert Jahre lang neben der Familie ihrer Mutter im Sonnental gearbeitet.
Doch die Schönheit der Ranch und ihre Geschichte hatten ihre Mutter nie interessiert. Sie hatte das Sonnental gehasst, hatte seine gelbbraunen Hügel und seine schattigen Canyons verflucht, mit einer Bitterkeit, die früher einmal ihre Tochter verängstigt hatte.
»Hast du schon einmal von einem Mann mit dem Namen Rio gehört?«, fragte Hope schnell. Sie wollte nicht an ihre Mutter denken, eine Frau, die so tief geliebt und gehasst hatte wie niemand, den Hope sonst noch kannte.
»Großer Mann, der sich lässig bewegt und wie ein Indianer aussieht?«
»Hm«, stimmte sie ihm zu. »Mit einem Lächeln, das dich an das ewige Leben glauben lässt.«
Mason warf ihr einen schnellen Blick von der Seite zu. »Dann musst du ihm wohl gefallen haben. Rio lächelt nicht sehr oft.«
»Er hat mich wahrscheinlich ausgelacht«, meinte sie und erinnerte sich an Rios Bemerkung über Träumer und Spieler.
»Das bezweifle ich.«
»Er lacht nicht oft?«, fragte sie und imitierte Masons charakteristischen Akzent.
»Gut, dass du dir die Zöpfe abgeschnitten hast, denn sonst würde ich dich jetzt daran ziehen.« Masons Lächeln verschwand, als er sich einen alten Küchenstuhl heranzog, sich rittlings darauf setzte und die Arme auf die Lehne stützte. »Rio lacht nie über andere, nur über Dummköpfe. Du magst ja störrisch sein wie ein Felsbrocken, aber du bist kein Dummkopf.«
Sie drückte liebevoll die Schulter des alten Mannes, die sich unter ihren Fingern wie eine Handvoll ungegerbtes Leder anfühlte. Das Alter hatte ihn nicht gebeugt oder sehr viel langsamer gemacht. Bis auf die gelegentliche Arthritis in seinen Händen war Mason noch immer fast einen Meter achtzig »harte Zeiten und schlechtes Wasser«, wie ihr Vater einst seinen Vorarbeiter beschrieben hatte, seinen Mentor und seinen besten Freund.
Der Kühlschrank gab ein angenehmes Geräusch von sich, als Hope ihn öffnete und dann wieder schloss. Sie trug ihr Glas mit Limonade - ohne Eis - an den Tisch und setzte sich.
»Was macht Rio?«, fragte sie.
»Er reitet Pferde zu.«
Hope versuchte, Masons knappe Beschreibung der komplexen Wirklichkeit des Mannes zuzuordnen, der Rio genannt wurde. »Ist das alles?«
»Wenn du Rio bist, dann ist es schon eine ganze Menge. Er ist selbst zum Teil ein Pferd, das schwört er. Er reitet alles, was Haare hat, und er geht sehr sanft damit um.« Mason streckte die Arme über den Kopf, bis die Gelenke knackten. »Ich habe nie gehört, dass er schon einmal ein Pferd blutig geritten hätte, und er hat mehr als ein Pferd zugeritten, das es eigentlich verdient hätte.«
Hope nippte an dem frischen, säuerlichen Getränk und seufzte dann. »Er hat gesagt, er sei ein Mann, der Wasser finden kann. Er hat gesagt, ich solle dich fragen und mich dann entscheiden.«
Obwohl Hope ihn nicht ansah, fühlte sie doch, wie Mason plötzlich aufmerksam wurde. Seine blassen grünen Augen richteten sich mit einer Eindringlichkeit auf sie, die sie in gewisser Weise an Rio erinnerte.
»Es muss ihm etwas an dir gefallen haben«, erklärte Mason mit ausdrucksloser Stimme. Doch als er dann sah, wie sich ihr Körper anspannte, fügte er schnell hinzu: »Nein, so meine ich das nicht. Oh, du bist eine tolle Frau, und er ist ganz sicher ein verteufelt toller Mann, aber das würde keinen Bronco für Rio satteln. Wenn er gesagt hat, er würde nach Wasser suchen, dann nur, weil du etwas getan hast, das ihm gefallen hat.«
»Er war an Turners Brunnen. Alles, was ich getan habe, war, mit dem störrischen Generator zu kämpfen.«
Mason sah Hope an. Das mutwillige Mädchen aus seinen Erinnerungen war zu einer Frau herangewachsen, die genauso wunderschön war, wie es ihre Mutter gewesen war. Aber im Gegensatz zu ihrer Mutter machte sich Hope nichts aus ihrer Schönheit. Und sie hasste auch nicht die Ranch. Hope war ein
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