Geheimnis der Leidenschaft
folgten, trafen Rinder und Zuchttiere aus jedem Staat westlich der Rockys im Sonnental ein. Hope gab auf, den Männern zu widersprechen, die die Lastwagen fuhren. Trotz aller Unterschiede waren sich die Männer auf eine Art sehr ähnlich: Sie wollten den Mann, den sie Rio nannten, nicht enttäuschen.
Als der fünfte Monat ohne Rio begann, glaubte Hope, alles akzeptiert zu haben: den Verlust von Rio und den Gewinn des
Brunnens, den Verlust von Rio und den Gewinn der Rinder, den Verlust von Rio und den Gewinn seines Kindes. Sie glaubte, sie sei stark genug, ihn in jedem Sonnenaufgang zu sehen, seinen Namen in jedem Windstoß zu hören, ihn in jedem silbernen Tropfen aus seinem Brunnen zu schmecken und sich mit jedem Atemzug an ihn zu erinnern. Sie glaubte, all das ertragen zu können, ohne sich in einer endlosen Sehnsucht nach ihm zu verzehren.
Und dann kam ein weiterer Nachmittag, ein weiterer Wagen fuhr in den Hof, und ein weiterer Mann fragte: »Wo wollen Sie es haben?«
Hope sah schweigend zu, wie er Pferde über die Rampe auf die Weide führte. Es waren herrliche, langbeinige Stuten mit klaren Augen und kräftigen Hinterbeinen, und wie ein gezähmter Blitz pulsierte das Leben durch ihre Körper. Die Stuten tänzelten über den Hof und tranken mit hoch erhobenen Köpfen und bebenden Nüstern den Duft des Windes, der von den Perdidas wehte. Der Wind strich durch ihre seidigen Mähnen und Schweife, flüsterte die Geheimnisse des Landes in ihre aufgerichteten Ohren und wehte dann weiter.
Hope stand bewegungslos da, gefangen von der Schönheit der Stuten. Ein Traum erwachte in ihr, die Vision einer Zukunft, in der die Fohlen von Storm Walker aufwachsen und über Felder laufen würden, auf denen das Gras niemals fehlte und das Wasser immer floss.
Rios Herde und ihr Land und ihr gemeinsames Kind und der artesische Brunnen, den er tief verborgen unter dem Fels gefunden hatte, uraltes Wasser und ein endloses Versprechen des Lebens.
Das Sonnental lebte wieder.
Tränen rannen über Hopes Wangen. Sie hatte nicht geweint, als Rio sie verlassen hatte, und auch nicht in den endlosen Stunden danach. Aber jetzt konnte sie nicht aufhören zu weinen. Den Traum ihrer Familie wahr werden zu sehen, den
Traum ihres Vaters, ihren eigenen Traum, und dennoch mit diesem Traum allein zu sein ...
Blind wandte sie sich um und ging in den Schuppen.
Jake und Mason sahen sie kommen, sie sahen ihre Tränen und ihre zitternden Finger, mit denen sie nach dem Zaumzeug griff. Sanft nahm Jake ihr das Zaumzeug aus der Hand.
»Willst du ausreiten?«, fragte Mason.
Sie konnte nicht sprechen, deshalb nickte sie nur.
»Dann wollen Sie sicher Dusk haben«, meinte Jake.
Noch einmal nickte Hope.
Die beiden Männer gingen weg und kamen schon bald mit Dusk zurück. Obwohl es ein sehr milder Tag war, zog Jake seine große Jeansjacke aus und legte sie Hope um die Schultern.
»In einigen der Canyons ist es noch ziemlich kühl«, sagte
er.
Sie erwiderte nichts.
Mason reichte ihr die Zügel, und die beiden Männer sahen ihr nach, wie sie ins Gelände ritt.
»Wird sie wieder in Ordnung kommen?«, fragte Jake leise.
»Hoffentlich«, brummte Mason. »Denn sonst werde ich diesem starrköpfigen Hundesohn das Fell über die Ohren ziehen und meine Stiefel damit putzen.«
Jake lächelte grimmig. »Ruf mich, wenn du Hilfe brauchst. Ich und die Jungs, na ja«, meinte er und zuckte die Schultern, »wir sind Rio noch etwas schuldig, aber das ist eine verdammt feine Frau, die sich da die Augen nach ihm ausweint.«
Mason und Jake machten sich wieder an ihre Arbeit. Sie mussten Ställe ausmisten, Hafer austeilen, Heu und Stroh herbeiholen, Pferde striegeln, Hufe nachsehen, all die vielen Aufgaben, die zu erledigen waren, wenn man Pferde besaß. Danach mussten die Zäune abgeritten werden, die Pipelines mussten überprüft werden, und es gab Maschinen zu reparieren. Die Liste der Arbeiten war lang.
Gerade als die Männer mit ihrer Arbeit im Schuppen fertig waren, bog ein Pick-up auf den Hof ein. Ein großer, breitschultriger Mann kletterte aus dem Wagen und sah sich langsam um.
Mason und Jake gingen gleichzeitig auf ihn zu.
»Howdy, Rio«, sagte Mason. »Bist du gekommen, um nach deinen Tieren zu sehen?«
Nur zögernd löste Rio den Blick von dem Ranchhaus. Er wusste nicht, warum er überhaupt hier war. Er wusste nur, dass der Wind es ihm unmöglich gemacht hatte, wegzubleiben.
»Hallo, Mason, Jake«, sagte Rio und schüttelte den beiden Männern die
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