Geheimnis der Leidenschaft
Silver-Rock-Becken abgeliefert hatte, deutlich auf ein Wasservorkommen hinwies, und könnte ihr das Geld leihen, um danach zu suchen.
Ein Sachverständiger für Wasser, der kein Betrüger war, könnte auf ihre Anzeige antworten und den artesischen Fluss finden, von dem sie glaubte, dass er unter ihrer Ranch hindurchfloss.
Es könnte sogar regnen.
Hope beugte sich vor, um durch die staubige Windschutzscheibe zu den Perdidas zu blicken. Ein paar Schwaden aus Wasserdunst umwehten ihre felsigen, schroffen Spitzen. Nicht genügend Wolken. Bei weitem nicht genügend. Regen könnte vielleicht in den Bergen fallen, in einem oder zwei Tagen oder auch in drei, doch nicht auf ihr Wüstenland, wo aus dem rissigen Boden nur immer neuer Sand hervorquoll und auf dem sich die Rinder um die trockenen Brunnen versammelten und vor Durst brüllten.
Einen Augenblick lang starrte sie grimmig ihr Spiegelbild in dem schmutzigen Glas an. Der Westernhut verdeckte alles von ihrem Gesicht, doch die Spuren der Sorgen und der Er-
Schöpfung ließen ihre sonst so vollen Lippen schmal aussehen. Ihre haselnussfarbenen Augen waren nur ein schwacher Lichtreflex unter dem dunklen Schatten der Hutkrempe. Ihr lockiges Haar, das die Farbe von bittersüßer Schokolade hatte, trug sie hoch gesteckt und schützte es unter dem ausgebleichten Hut vor der Sonne. Einige Strähnen hatten sich gelöst, hingen ihr in den Nacken und klebten schweißnass auf ihrer zarten Haut.
»Oje, wenn dein Agent dich jetzt so sehen könnte«, murmelte Hope.
Sie zog eine Grimasse und blickte erneut auf ihr Spiegelbild, das aber vor ihren Augen verschwand, sobald sie sich zu sehr darauf konzentrierte, wie eine Luftspiegelung, die über der leeren Wüste hing.
»Es ist schon gut, dass dein Glück in deinen Beinen lag und nicht in deinem hübschen Mädchengesicht. Denn jetzt bist du kein Mädchen mehr. Wie alt wirst du an deinem nächsten Geburtstag werden - sechsundzwanzig? Und was wünschst du dir zum Geburtstag, großes Mädchen? Einen Brunnen, sagst du? Einen tiefen, sauberen, süßen, endlosen Brunnen?«
Hopes Lachen klang musikalisch und humorvoll und zugleich auch traurig. Vor beinahe sechsundzwanzig Jahren hatte ihr Vater einen Brunnen gegraben, der tief und sauber und süß gewesen war. Er hatte ihn, genau wie seine neugeborene Tochter, Hope getauft. Aber der Brunnen war nicht tief genug gewesen. Falls nicht ein Wunder geschah, würde er an ihrem sechsundzwanzigsten Geburtstag austrocknen.
Der leere Wassertransporter ratterte und schaukelte den steilen Abhang zur Grenze der Turner Ranch hinunter. Mehr als nur Meilen trennten die beiden Ranches. Eine Ranch hatte Wasser. Die andere nicht.
So einfach und so endgültig war das.
Es gab keine Zäune zwischen den beiden Ranches. Das war nicht nötig. Kein Rind der Turners würde Meilen entfernt vom Wasser auf dem trockenen Land der Gardeners herumstreunen. Und was die Rinder der Gardeners betraf, sie hatten noch nie genug Wasser gehabt, um so weit wegzulaufen. Einst hatte es jedoch große Pläne gegeben, und Träume. Die Träume ihres Großvaters. Die ihres Vaters. Ihre eigenen.
Und dann war da noch das Land gewesen, ein Land, das Hope liebte, wie sie noch nie etwas geliebt hatte. Andere Mädchen träumten von Freunden und von Babys, von Flitterwochen und einem glücklichen Leben. Hope nicht.
Jeder Wunsch, ihre Jungmädchenträume mit jemandem zu teilen, war an ihrem achtzehnten Geburtstag gestorben. Und das wenige Vertrauen, das sie in die Männer und die Liebe gehabt hatte, war in der Nacht verschwunden, als sie ihre eigene Mutter und Julie, ihre wunderschöne ältere Schwester, dabei beobachtet hatte, wie sie im Namen der Liebe durch die Hölle gegangen waren.
Was sie damals beobachtet hatte, hatte Hope gelehrt, ihr Vertrauen, ihre Träume und ihr Verlangen auf das Land zu konzentrieren. Seine gelbbraune Kraft rührte an ihre Sinne, wie kein Mann es je getan hatte.
Das Land war von Dauer, die Liebe nicht.
Tief in ihrem Inneren hatte sie schon immer gewusst, dass sie eine Frau für das Dauerhafte war. Ganz im Gegensatz zu ihrer Mutter wusste Hope, dass sie den Mann, den sie liebte, niemals würde verlassen können. Und ganz im Gegensatz zu ihrer Schwester konnte Hope nicht von Mann zu Mann gehen und dabei jedes Mal ein Stück von sich selbst verlieren, bis ihr nichts mehr blieb als nur ein hohles Lächeln.
Ein Ruck des Lenkrades riss Hope aus ihrer unglücklichen Vergangenheit und versetzte sie wieder in die
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