Geheimnis des Feuers
sie es irgendwie halten musste. Das machte sie gleichzeitig böse.
Sie wusste, dass sie Maria nur allzu leicht alles Mögliche versprach. Das war schon öfter passiert.
Die Zeit, die es gab und die es doch nicht gab, verging. Wieder wurde der Mond voll. Mit jedem Tag wurde es wärmer und wärmer. Das Wasser im Fluss sank. Aber bald würde Regen vom Himmel fallen.
Eines Tages, als sie schulfrei hatten und Maria mit Bauchschmerzen in der Hütte bleiben musste, erkundete Sofia die Umgebung. Die Hütten lagen in einem großen Gelände verstreut. Bisher hatte sie nur einen kleinen Teil davon gesehen.
Am anderen Ende des Dorfes entdeckte sie einen Mann, der vor seiner Hütte saß und Kleider nähte. Er hatte eine schwarze Nähmaschine, die er treten musste. So eine Nähmaschine hatte Sofia schon einmal gesehen, damals in dem Dorf, in dem sie früher zu Hause gewesen waren. Die Nähmaschine hatte einem Inder gehört, der kurze Zeit versucht hatte vom Kleidernähen zu leben. Er hatte im Schatten eines Baumes gesessen und seine merkwürdige Nähmaschine getreten. Alle Kinder des Dorfes hatten darum herumgestanden und verwundert den Inder und seine Maschine betrachtet.
Sofia war damals nicht mehr als fünf, sechs Jahre alt gewesen. Aber an die Nähmaschine konnte sie sich immer noch erinnern. Sie hatte gedacht, dass sie gern auf so einer Nähmaschine nähen lernen wollte, wenn sie einmal groß war.
Nach kurzer Zeit hatte der Inder das Dorf verlassen. Seine Maschine hatte er mitgenommen. Die Dorfbewohner waren viel zu arm um seine Kleider zu bezahlen. Sofia erinnerte sich daran, wie traurig sie gewesen war, als er das Dorf verließ. Die Nähmaschine hatte er sich auf den Rücken geschnallt.
Jetzt sah sie so eine Nähmaschine wieder. Sie sah genauso aus wie die des Inders. Sofia blieb stehen und guckte zu, wie der Mann trat und nähte.
Als er von seiner Arbeit aufschaute und sie bemerkte, schlug sie die Augen nieder und dachte, dass sie eigentlich gehen musste.
Aber der Mann lächelte und nickte ihr zu. Vorsichtig wagte sie sich näher heran.
Er hieß Antonio, wurde aber Totio genannt. Er war alt und zahnlos. Drinnen in der Hütte hinter ihm war seine Frau Fernanda. Ihre Kinder waren erwachsen und hatten eigene Familien. Totio und Fernanda waren auch vor den Banditen geflohen. Sie hatten alles zurückgelassen, nur die Nähmaschine nicht.
Das alles erzählte er Sofia, während er trat und weiternähte. Er war dabei, eine schwarze Hose zu flicken. Fernanda kam aus der Hütte und setzte sich auf die Bastmatte in den Schatten. Sie war dick und atmete schwer in der Hitze.
»Wer bist du?«, rief sie Sofia von der Bastmatte aus zu. »Wenn du Geld hast, näht dir Totio, was du willst. Hast du viel Geld, dann kann er dir ein Paar Flügel nähen.«
»Sie redet nur so«, sagte Totio und lachte. »Ich kann keine Flügel nähen.«
Er blinzelte Sofia zu und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Hast du auch einen Namen?«, fragte er. »Ich heiße Sofia.«
Er fragte sie weiter aus, wer sie war und woher sie kam. Die ganze Zeit nähte er. Sofia antwortete, so gut sie konnte. Hin und wieder rief Fernanda etwas von der Bastmatte herüber. Dann schlief sie ein und begann zu schnarchen.
»Ich habe eine gute Frau«, sagte Totio. »Manchmal redet sie zu viel. Aber sie ist eine gute Frau.« »Ich möchte auch gern nähen lernen«, sagte Sofia. Totio lächelte. »Das könntest du doch«, sagte er. Die Hose war fertig. Er musterte sie und legte sie dann vorsichtig auf den Tisch. Dann streichelte er die Nähmaschine. »Das hast du gut gemacht, Xio.« Sofia sah ihn erstaunt an.
»Warum sollte eine Nähmaschine keinen Namen haben?«, sagte Totio. »Warum möchtest du nähen lernen?«
»Ich möchte ein weißes Kleid für meine Schwester Maria nähen«, sagte sie.
Die Antwort hatte sie sich vorher nicht ausgedacht. Sie war ganz von allein gekommen. Dann dachte Sofia, dass sie erklären müsste, warum sie gerade ein weißes Kleid nähen wollte. Sie erzählte Totio, was in der Nacht geschehen war, als Hapakatanda starb, und von dem Kleid, das er Maria aus der Stadt mitgebracht hatte. Totio nickte nachdenklich, als sie fertig war. »So ist es wohl«, sagte er. »Sie töten, brennen nieder und plündern. Aber niemand denkt daran, dass die Banditen einem kleinen Mädchen, das Maria heißt, auch ein weißes Kleid gestohlen haben.«
»Ich habe ihr das Kleid versprochen«, sagte Sofia. »Bring mir den Stoff, dann bringe ich dir Nähen bei«,
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