Geheimnis um einen unsichtbaren Dieb
Alle Indizien – die Handschuhabdrücke, die Fußspuren, der Husten – deuteten auf den Täter von Haus Norden hin. Nur der runde rätselhafte Abdruck fehlte noch. Dicki sah sich eine Weile vergeblich danach um. Aber dann fand er ihn. wirklich – und zwar in der Nähe der Hintertür, sehr schwach, aber dennoch nicht zu verkennen. Ja, alles war genauso wie gestern. Nur Papierschnitzel lagen diesmal nicht am Tatort.
Als Dicki wieder ins Haus gehen wollte, traf er an der Tür Fräulein Lucy. „Soeben hat Herr Grimm angerufen”, erzählte sie. „Er fragte, ob hier wirklich ein Dieb eingedrungen sei. Warum hat er uns denn nicht gefragt, als er hier war? Das verstehe ich nicht!”
Dicki grinste. Herrn Grimm waren also Bedenken gekommen, ob Dicki ihn angeführt hatte, und nun hatte er erfahren müssen, daß tatsächlich ein Dieb im Haus von Frau Williams gewesen war. „Sagen Sie ihm bitte, wenn er kommt, daß ich die Sache in die Hand genommen hätte. Er brauche sich keine Sorgen zu machen, ich würde schon damit fertig werden.”
Fräulein Lucy sah Dicki etwas unsicher an. Ihr kam alles so verwirrend vor – der geheimnisvolle Dieb, der Polizist, der kam und sofort wieder verschwand, und nun dieser Junge, der sich wie ein Polizist benahm.
„Hat Frau Williams eine Köchin?” fragte Dicki.
„Ja, aber sie hat heute Ausgang. Ich hatte die Hintertür offengelassen, damit das Mädchen vom Kolonialwarenladen die bestellten Sachen auf den Tisch legen konnte. Sie macht das oft. Auch der Bäcker ist inzwischen hier gewesen, wie ich sehe, und der Postbote ebenfalls. Frau Williams legt sich nachmittags gern ein wenig hin. Die Boten klingeln daher nicht, sondern legen einfach alles in die Küche, wenn die Köchin nicht da ist.”
Dicki blickte nachdenklich auf die Tüten, die Brote und das Postpaket. Drei Menschen waren nachmittags hier gewesen. Ob einer von ihnen den Dieb gesehen hatte? Das mußte er zunächst feststellen.
Bald erschien Herr Grimm zum zweitenmal. Fräulein Lucy machte ihm die Haustür auf und musterte ihn mit strengen Blicken.
„Verzeihen Sie, daß ich nicht früher gekommen bin”, sagte er etwas verlegen. „Aber dringende Geschäfte hielten mich zurück. Ist der dicke Junge inzwischen fortgegangen?”
„Dietrich Kronstein befindet sich noch hier und durchsucht das Haus”, antwortete Fräulein Lucy kühl. „Ich soll Ihnen bestellen, daß er die Sache in die Hand genommen hat. Sie möchten sich bitte keine Sorgen machen, er werde schon damit fertig werden. Gewiß wird er Frau Williams den Schmuck wiederbeschaffen, der gestohlen worden ist.”
Herr Grimm wurde dunkelrot. Fräulein Lucy beobachtete ihn ängstlich. Er kam ihr unheimlich vor, und sie wollte die Haustür wieder zumachen. Aber schnell stellte er einen Fuß dazwischen. Als sie einen Schrei ausstieß, nahm er ihn wieder zurück und überlegte, wie er das vogelartige furchtsame Wesen beruhigen könnte.
Sofort schloß sie die Tür und legte auch noch die Sicherheitskette vor. Wütend starrte er die Tür an. Dann schritt er gewichtig um das Haus herum. An der Hintertür traf er auf Dicki.
„Dich trifft man aber auch überall!” rief er ärgerlich.
„Zuerst bist du an der Vordertür und nun an der Hintertür. Mach, daß du fortkommst! Dieser Fall geht dich nichts an.”
„Sie irren sich, Herr Grimm”, entgegnete Dicki. „Man hat mich zu Hilfe gerufen, und ich habe auch schon eine Menge Indizien gefunden.”
Rolf und Gina, die Herrn Grimms Stimme gehört hatten, kamen neugierig aus dem Haus gelaufen. Auch Purzel stürzte herbei und umtanzte den Polizisten kläffend.
„Ihr seid auch hier?” rief er mit steigendem Ärger.
„Müßt ihr eure Nasen denn überall reinstecken? Weg da jetzt, damit ich in Ruhe arbeiten kann! Und ruft den Hund zurück!”
„Purzel hat Sie schmerzlich vermißt”, sagte Dicki.
„Gönnen Sie ihm doch einen kleinen Spaß.”
Ohne etwas darauf zu erwidern, drängte sich Herr Grimm an Rolf und Gina vorbei in die Küche und flüchtete zur Diele hin. Durch ein geschicktes Manöver brachte er es fertig, Purzel, der ihm gefolgt war, die Tür vor der Nase zuzumachen.
Dicki setzte sich auf die Schwelle der Hintertür. „Nun wird er die beiden Damen verhören. Aber viel Freude wird er nicht daran haben. Sie sind ziemlich wütend auf ihn.”
„Hast du irgend etwas gefunden, Dicki?” fragte Rolf.
„Ich habe durchs Fenster gesehen, wie du mit deinem Zollstock hantiertest. Was hast du
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