GEHEIMNISSE DER NACHT
gewesen.“
„Ja. Klar. Muss der alte Knacker nicht sowieso bald in Rente?“
Ein Räuspern erklang, und als sie beide sich umdrehten, stand der alte Knacker höchstpersönlich in der Tür. Maxine konnte nicht abschätzen, wie lange er dort gestanden hatte, oder wie viel er gehört haben könnte. Das Anspringen, von dem sie gerade gesprochen hatten, würde sich wahrscheinlich leichter gestalten, wenn sie sich heimlich anschleichen konnte. Aus der Hinterhand, so in der Art.
Er war zu dünn, deshalb sah sein Anzug etwas schlottrig aus. „Störe ich gerade?“
Stormy drehte ihm den Rücken zu und starrte Maxine genervt an, was Maxine einfach ignorierte. „Komm rein, Lou. Hast du die Donuts gerochen, oder was?“
Er lächelte nicht, und er neckte sie nicht zurück, wie er es normalerweise tat. „Es ist, äh – etwas delikat.“
Stirnrunzelnd ging sie auf ihn zu. Er wartete nicht. Stattdessen drehte er sich um und trat hinaus auf die Veranda. Als sie sich ihm dort anschloss und die Tür hinter sich zuzog, begann er zu reden. „Ich lade dich auf eine Tasse Kaffee ein. Dort können wir reden. In Ordnung?“
„Klingt ernst.“
„Ja. Ich brauche deine Hilfe. Es ist quasi genau deine Sache, Max, sonst würde ich dich nie darum bitten.“
„Warum nicht?“
„Warum was nicht?“
„Warum würdest du mich nie um etwas bitten?“
Mit einem tiefen Atemzug und schwer seufzend hob er zu einer Antwort an. „Weil du noch ganz neu bei der Sache bist, und ich hatte eigentlich vor, dich mit so was wie Milchbrötchen anfangen zu lassen. Hintergrundinformationen zu Verdächtigen zusammensuchen und so was.“
„So viel Vertrauen hast du also in mich?“
„Du bist noch ein Kind.“
„Ich bin fünfundzwanzig.“
„Wie gesagt …“
„Halt die Klappe, Lou.“ Sie riss die Autotür auf und setzte sich neben ihn. Er nahm sie nicht mit in den Coffee Shop, wie sie gedacht hatte. Stattdessen fuhr er ans Drive-in-Fenster irgendeiner Fast-Food-Kette und bestellte zwei große Kaffee, einen schwarz, einen mit zweimal Milch und drei Stück Zucker. Sie lächelte, als er die Bestellung herunterrasselte, ohne sie zu fragen. Er wusste genau, wie sie ihren Kaffee mochte.
Sich auf ihn zu stürzen würde ein Kinderspiel werden.
Er fuhr auf den nächsten Parkplatz, stellte den Motor aus und drehte sich zu ihr um.
„Mann, Lou, falls du auf dem Rücksitz fummeln willst, solltest du dir ein lauschigeres Plätzchen aussuchen.“
Röte überzog sein Gesicht. „Ja, klar.“
„Im Süden der Stadt gibt es die alte Kieskuhle, wo in der Highschool jeder mal zum Rummachen hinfährt. Kennst du die?“
Er vermied es, ihr in die Augen zu sehen. „Natürlich kenne ich die.“
„Mmm. Dann warst du schon mal dort?“
„Klar. Um mit der Taschenlampe nach den Kindern zu leuchten, die es besser wissen müssten, und sie nach Hause zu ihren Mamas zu schicken. Also, willst du mit mir über Geschäftliches reden oder rumalbern, Max?“
Maxine wollte albern. Mit ihm. Jetzt. Aber sie hatte ihn offensichtlich nur geärgert. Er ärgerte sich immer, wenn sie mit ihm flirtete, schon beim kleinsten bisschen. „Schon gut. Geschäfte. Schieß los.“ Sie lehnte sich zurück und nippte an ihrem Kaffee.
„Okay. Da ist diese Frau. Sie ist eine Freundin von mir. Eine gute Freundin.“
In ihrem Kopf kratzten Fingernägel auf Schultafeln, und Maxine setzte sich aufrechter hin.
„Sie heißt Lydia Jordan. Die Leiterin von Haven House.“
Während ihr Kopf sich mit Fakten füllte, sah sie ihn skeptisch an. „Das Mädchenhaus in der Innenstadt? Für Ausreißer in Not?“
Er nickte.
„Ich dachte, das wird von zwei ehemaligen Prostituierten geleitet.“
Wieder nickte er.
Sie hob ihre Augenbrauen und sah ihn an. „Deine Freundin ist eine Nutte?“
„War eine Nutte.“
„Und wie zum Teufel kommt es, dass du sie so gut kennst?“, fragte sie, und es war ihr egal, wie zickig sie klang.
Er lächelte sie an. „Verdammt, Max, wenn ich nicht alt genug wäre, um dein Vater zu sein, man könnte denken, du wärest eifersüchtig.“
„Du bist so was von nicht alt genug, um mein Vater zu sein.“ Das war er doch, aber sie würde es bestimmt nicht zugeben.
Seufzend schüttelte Lou den Kopf. „Ich bin Lydia zum ersten Mal begegnet, als ich sie wegen versuchter Prostitution verhaftet habe. Ich war damals noch ein Neuling, und sie kann nicht älter als achtzehn gewesen sein. Über die Jahre habe ich sie bestimmt ein Dutzend Mal mitgenommen, ehe sie ihr
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