GEHEIMNISSE DER NACHT
wusste, was er wollte. Sie selbst wollte nichts mehr, als ihm zu gehorchen. Sie hob eine Hand, schob ihre Decke zurück und lag einfach da, vollkommen nackt und ohne Scham, um sich von seinem dunklen begehrenden Blick verbrennen zu lassen. Jeden Teil von ihr.
Berühr mich, flehte sie ihn stumm an. Lieber Gott im Himmel, berühr mich einfach.
Dann blinzelte sie – und er war verschwunden.
Einfach so, ganz plötzlich.
Morgan schlug abrupt ihre Augen auf. Ihre Decke lag auf dem Boden, und ihr Körper bebte. Aber sie war allein.
Lieber Gott, diese Träume schienen ja wirklich ein Eigenleben zu entwickeln. Vielleicht sollte sie über irgendeine Therapie nachdenken. Nicht, dass sie noch nie von ihm geträumt hätte, wieder und wieder, Nacht für Nacht, seit sie in dieses Haus gezogen war. Aber dieses Mal war es anders gewesen. Dieses Mal war es … real.
Sie setzte sich langsam auf, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und stand auf. Sie zog sich einen Morgenmantel aus cremefarbenem Satin an, ging zu den Glastüren und öffnete sie. Dann trat sie hinaus auf den Balkon und atmete die Nachtluft tief ein. Der Geschmack auf ihrer Zunge war intensiv und gut.
Plötzlich hielt sie inne und starrte direkt geradeaus.
Auf den Klippen stand ein Mann. Der Wind zerzauste seine Haare, während er hinaus aufs Meer starrte. Sein Gesicht konnte sie kaum erkennen, und doch war etwas unglaublich Vertrautes an ihm. Am Fall seiner Haare. Seiner Haltung. Irgendetwas.
Ihr Magen rebellierte, als die Wolken den Mond freigaben und sein Gesicht nur für einen Augenblick vom Mondlicht beleuchtet wurde.
„Dante …“ Sie flüsterte seinen Namen atemlos.
Und als hätte er sie gehört, auch wenn das aus der Ferne unmöglich war, drehte er sich abrupt um und sah genau in ihre Richtung.
„Kann es sein …?“ Morgan schloss die Augen, atmete dreimal tief ein und spürte, wie ihr Herz in ihrer Brust hämmerte. „Es kann nicht sein.“
Dann öffnete sie ihre Augen wieder.
Die Klippen, das Meer, der Wind und nichts sonst. Da war niemand. Da war überhaupt niemand.
Keith
6. KAPITEL
Maxine lehnte sich in ihren ergonomisch geformten Stuhl zurück und zwinkerte mehrmals mit den Augen. Wenn man den ganzen Tag auf den Computerbildschirm starrte, zwinkerte und blinzelte man zu wenig. Das hatte sie irgendwo gelesen. Es war nicht gut für die Sehkraft.
Die Vordertür öffnete sich, und Stormy kam herein, eine große weiße Bäckertüte in einer Hand, die morgendliche Post in der anderen. „Zeit für eine Pause!“, rief sie. „Fett, Kalorien und Cremefüllung, genau was der Arzt verordnet hat.“
Maxine seufzte und schob ihren Schreibtischstuhl zurück. Er rollte vom Schreibtisch bis in die Mitte des ehemaligen Wohnzimmers, das jetzt ihr Arbeitszimmer geworden war – wenn man das Wort im weitesten Sinne verwendete. Es ähnelte eher einer Explosion in einer Fabrik für Papier und Schnellhefter. Mit Computern. Jeder Menge Computern.
Stormy stellte die Tüte auf ihren Schreibtisch, setzte sich dahinter und spähte hinein. „Mmm, ich habe Marmelade und Cremefüllung, und jetzt kann ich mich nicht entscheiden.“
„Wie viele sind da drin?“, fragte Maxine und hob ihre Augenbrauen.
„Halbes Dutzend.“ Stormy sah nicht hoch. Die Donuts hatten sie in ihren Bann geschlagen.
„Dann nimmst du am besten von jedem einen.“
Da sah sie endlich auf, die Augenbrauen ebenfalls hochgezogen. „Glaubst du?“
„Oh, klar. Besser, als das Risiko einer falschen Wahl einzugehen.“
„Ich mag es, wie dein Verstand funktioniert.“ Stormy lächelte anerkennend, während sie in die Tüte langte, um sich einen Donut zu greifen.
Maxine stand von ihrem Schreibtisch auf und schlenderte in die Küche, die ihren Charakter noch nicht eingebüßt hatte. Dort schenkte sie zwei Becher frischen Kaffee ein. „Hast du dir mal überlegt, wie armselig es ist, dass ich nach all den Jahren immer noch im selben Ort, im selben Haus, im selben Trott lebe?“
„Nein.“
Maxine musste lächeln, weil Stormy mit vollem Mund nuschelte. Sie trug die zwei Becher zurück ins Arbeitszimmer und sah gerade noch, wie ihre Freundin einen weiteren Bissen nahm und vor Wonne die Augen schloss.
Sie stellte Stormy einen Becher hin und langte selbst nach einem Donut. Maxine wusste, wenn sie es nicht tat, würden sie bald alle verschwunden sein.
„Möchtest du die Antwort noch weiter ausführen oder bei der einen Silbe bleiben?“
Stormy schluckte, schleckte sich die Lippen ab
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