GEHEIMNISSE DER NACHT
Toten warfen. Laublose Bäume wiegten sich im scharfen Nachtwind. Der Duft von Blumen auf einem frischen Grab und der drohende Winter belebten die Luft.
„Ich wollte mit dir über das Haus sprechen“, begann Morgan. „Du hast es kaum benutzt, seit ich – na, seit meiner Beerdigung.“ Eine kalte Brise streichelte über ihren Nacken, und sie zitterte. „Gott, wie komisch, das zu sagen.“
„Es ist dein Haus, Morgan. Du musst immer noch irgendwo wohnen. Ich will es dir nicht wegnehmen. Ich meine, das Testament war nur eine Formalität. Es gehört mir nur auf dem Papier.“
„Nein, ich meinte es ernst. Es soll dir gehören“, sagte Morgan. „Außerdem kann ich es nicht bewohnen und dadurch riskieren, entdeckt zu werden. Ich will, dass dir das Haus gehört. Benutz es. Führe dein Geschäft von dort aus, wenn du willst. Das wäre für uns beide am besten.“
„Für uns beide, hm?“, fragte Maxine. Sie blieb neben einer Bank stehen, die man für Besucher am Wegrand aufgestellt hatte, und setzte sich. Morgan setzte sich neben sie. „Und was genau haben du und Dante davon? Die ganze Zeit Verwandte um sich zu haben klingt nicht gerade wie der Traum eines frischgebackenen Paares. Ihr zwei seid so ausgelassen.“
„Du hast ja keine Ahnung“, flüsterte Morgan und wandte sich ab. „Er ist unglaublich. Ich hätte nie gedacht, ich könnte mich so … vollkommen fühlen. Ich hatte so lange niemanden. Nur David. Und jetzt, plötzlich, habe ich dich, und ich habe diesen Mann, der – er würde für mich sterben. So sehr liebt er mich. Das kann ich noch gar nicht richtig fassen.“
„Umso mehr ein Grund, euch eure Privatsphäre zu lassen“, sagte Max. „Wenn ich einziehen würde, brächte euch beiden das gar nichts.“
Morgan blinzelte wieder, als ihr die Tränen in die Augen stiegen, und ihre Stimme brach genauso, wie sie es tat, wenn sie über Dantes Liebe nachdachte. „Doch, doch“, sagte sie zu ihrer Schwester. „Wenn du da bist, hätte ich eine Tarnung.“
„Tarnung?“
Morgan nickte und begann, vor der Bank auf und ab zu gehen. „Im Moment muss ich unglaublich aufpassen, damit mich keiner bemerkt. Wenn du hier wärest, und jemand mich sieht, würde jeder annehmen, du bist es. Ich könnte wieder rausgehen, ab und zu. Einen Film anschauen oder einkaufen.“ Sie blieb stehen, hockte sich vor Maxine hin und nahm ihre Hände. „Und außerdem, wenn meine Nachkommen das Haus bewohnen, hören vielleicht die Fremden auf, hier rumzuschnüffeln.“
„Es kommen Leute her?“, fragte Maxine besorgt.
Morgan nickte. „Ja, ab und zu. Neugierige Fans oder Kinder aus dem Dorf. Hey, ich bin berühmt. Ich habe eine Auszeichnung gewonnen, weißt du.“
Maxine lächelte. „Ja, das habe ich irgendwo gehört.“
„Und?“
Einen Augenblick dachte Maxine darüber nach. „Es wäre wirklich ein tolles Haus für mein Geschäft. Aber, ähm, na ja, Stormy ist meine Partnerin. Sie würde auch kommen müssen.“
Nachdenklich nickte Morgan. Sie hatte die blonde junge Frau nur aus der Ferne beobachtet, aber etwas an ihr war ihr seltsam vertraut. „Weiß sie von mir?“
„Ich habe es ihr nicht gesagt“, erklärte Maxine, „aber merkwürdigerweise scheint sie eine Ahnung zu haben. Und ich vertraue ihr. Übrigens ist sie davon überzeugt, dass sie dich getroffen hat, als sie im Koma lag. Sie redet ununterbrochen davon, wie du sie zurück ins Land der Lebenden geführt hast. Sie ist felsenfest davon überzeugt, dass das alles kein Traum war. Stormy hat das Gefühl, dir etwas schuldig zu sein. Du kannst dich darauf verlassen, sie behält dein Geheimnis für sich.“
Da war sie endlich, die Erinnerung, die sie nicht hatte einordnen können, jetzt löste sich ein weiteres Rätsel. Sie war der besten Freundin ihrer Schwester schon einmal begegnet – im Traum, als sie im Krankenhaus lag und zwischen Leben und Tod schwebte. Oder … vielleicht war es wirklich kein Traum gewesen.
„Und natürlich ist da auch Lou. Ich muss auch an ihn denken“, fuhr Maxine laut grübelnd fort.
„Meinst du, er würde hierherziehen? Um mit dir zu arbeiten?“
Maxine zuckte mit den Schultern. „Meine Aufgabe wäre dann wohl, ihn zu überzeugen, es wenigstens zu versuchen. Er redet neuerdings von einer kleinen Hütte am See und einem Fischerboot. Er geht bald in den Ruhestand, weißt du.“
„Und was hält dich dann noch, Maxine? Komm her. Mach es.“ Sie nahm die Hand ihrer Schwester. „Ich vermisse dich. Wenn du hier wärest, hätten
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