Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
Kohout, der wie sein Vater dem Widerstand angehörte, mit einem »Bühnenauftritt, als käme ein großer Star auf die Bühne, mit Pauken und Trompeten. Die roten Plakate mit den Namen der Hingerichteten zeigten uns: Dieser Mann ist vielleicht einer der gefährlichsten. Und obwohl das Wort ›Stellvertretender Reichsprotektor‹ nicht imposant klang, hatte man das Gefühl, dass plötzlich Hitlers verlängerter Arm über Böhmen und Mähren erschien.« Der Vollstrecker des Willens seiner Vorgesetzten Hitler und Himmler – so sah er sich auch selbst. »Die Hauptsache ist, dass es ruhig ist, denn wir brauchen diese Ruhe und Stille für die endgültige Vereinnahmung dieses Raumes«, hatte Heydrich bei der Ankunft in Prag seinen Helfern als Ziel beschrieben. Als Grundlinie gelte, »dass dieser Raum einmal deutsch werden muss und dass der Tscheche in diesem Raum letzten Endes nichts mehr verloren hat«. Geradezu fasziniert notierte Joseph Goebbels am 15. Februar 1942 in seinem Tagebucheintrag: »Heydrich operiert erfolgreich. Er spielt mit den Tschechen Katze und Maus, und sie schlucken alles, was er ihnen vorlegt. […] Die Slawen, das betont er, können nicht erzogen werden, so wie man ein germanisches Volk erzieht, man muss sie brechen oder ständig beugen, er verfolgt augenblicklich den zweiten Weg, und zwar mit Erfolg.«
»Unerhört hart zuschlagen«: Schon einen Tag nach seinem Amtsantritt unterzeichnete Heydrich die ersten Todesurteile.
Bundesarchiv, Koblenz (Plak003-030-056)
Die Unterstützung für den Angriff auf Heydrich, die Bereitschaft, die Agenten zu verbergen, sowie die wiederkehrenden zustimmenden Äußerungen zu dem Angriff sind die Folge von sechs Monaten Terror, für die Heydrich verantwortlich ist.
SOE-Aktennotiz, Juni 1942
Während Heydrich in Prag schaltete und waltete, wurde die tschechische Exilregierung in London zunehmend nervös. Die Exiltschechen unter Präsident Edvard Beneš waren sich uneins darüber, was gegen diesen Heydrich unternommen werden sollte, was sinnvoll und erfolgversprechend war. Die einen hatten schon im Vorjahr einen sofortigen schweren Schlag gegen die deutschen Besatzer gefordert. Andere warnten vor der Rache der Deutschen an der Zivilbevölkerung, vor den unabsehbar harten Sühnemaßnahmen, falls ein Mann wie Heydrich zur Zielscheibe werden würde. Die Wagemutigen setzten sich durch. Sie wollten ein Zeichen setzen, das der Welt beweisen sollte, dass das tschechische Volk sich nicht aufgegeben habe. Denn in London machte sich bei den britischen Verbündeten Unmut breit: Allzu fügsam – so wirkte es von außen – schienen sich die Tschechen dem deutschen Besatzungsregime zu beugen, allzu reibungslos funktionierte die wichtige tschechische Industrieproduktion als Teil der deutschen Kriegswirtschaft. Ein Attentat auf einen so hochrangigen Nationalsozialisten wie Heydrich sollte den Tschechen – mehr noch: allen Menschen unter deutschem Joch – neuen Mut geben und den bis dahin siegreichen Nazis einen schweren psychologischen Schlag versetzen.
»Waffenschmiede des Reichs«: Tschechische Industriebetriebe wie die Škoda-Werke waren wichtiger Bestandteil der deutschen Rüstungswirtschaft.
Č TK PhotoBank, Prag (N.N.)
Auf die Britischen Inseln hatten sich nach den Niederlagen der Jahre 1939 und 1940 viele Kämpfer aus denjenigen Ländern geflüchtet, die nun unter deutscher Besatzung standen. Zwei Exilanten aus der Tschechoslowakei bekamen nun den gefährlichen Auftrag, Reinhard Heydrich in Prag zu ermorden. Jozef Gabčik, ein 29-jähriger gelernter Schlosser aus der Slowakei, hatte lange Jahre in der tschechoslowakischen Armee gedient. Der Tscheche Karel Svoboda war ebenfalls ein altgedienter Soldat. Beide waren Feldwebel der 1. Tschechoslowakischen Brigade, einer Einheit, die im Exil in Großbritannien gegründet wurde. Aus deren Reihen wurden 1941 Soldaten für die tschechoslowakische »Spezialgruppe D« rekrutiert, die in der besetzten Heimat geheime Aufträge durchführen sollte und dafür eng mit der britischen SOE zusammenwirkte. In Trainingscamps der SOE bekamen nun auch tschechoslowakische Agenten – unter ihnen Gabčik und Svoboda – eine hochkarätige Spezialausbildung. Als sich Svoboda verletzte, stieß Jan Kubiš, ein 28-jähriger Feldwebel, zu Gabčik. Allen Beteiligten – den Auftraggebern in der Exilregierung, ihren britischen Gastgebern, den SOE -Verantwortlichen und den beiden Agenten – war klar, worauf sie sich einließen: Das Unternehmen
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