Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
fanden«.
Seit den 1970er-Jahren gab es immer wieder Gerüchte, dass die Granate, die Heydrich verletzte, mit Botulinumbakterien aus den britischen Chemie- und Biowaffenlabors in Porton Down versetzt gewesen sei. Doch diese Theorie lässt sich durch nichts stützen. Weder zeigte Heydrich je Symptome einer Botulinumvergiftung, noch war es technisch möglich, ihn mit Botulinum zu vergiften. Denn das Gift, das die Bakterien produzieren, konnte von Gabčik und Kubiš unmöglich über fünf Monate lang gelagert werden. Und schließlich entsteht bei der Explosion einer Granate eine gewisse Hitze – für das Verbreiten des Botulinumgiftes ist damit eine Explosion eine denkbar ungeeignete Methode, da das Gift selbst hitzeempfindlich ist.
Die Rache des Regimes
Mit einem pompösen Staatsbegräbnis am 9. Juni 1942 in Berlin huldigte Hitlers Reich einem zum Idol verklärten Nationalsozialisten. »Ich habe diesem Toten nur wenige Worte zu widmen«, sagte Hitler vor dem aufgebahrten Leichnam. »Er war einer der besten Nationalsozialisten, einer der stärksten Verteidiger des deutschen Reichsgedankens, einer der größten Gegner aller Feinde dieses Reiches. Er ist als Blutzeuge gefallen für die Erhaltung und Sicherung des Reiches.« In Hitlers Hauptquartier saß der Schock über das Geschehen in Prag tief. Hitler selbst war außer sich. In einem Blitzgespräch befahl er, als Belohnung für die Ergreifung des Attentäters eine Million Reichsmark auszuloben. »Wer den Tätern irgendwelche Hilfe gewährt oder ihren Aufenthaltsort kennt und dies nicht der Polizei meldet, wird mit seiner ganzen Familie erschossen«, hieß es in einem persönlichen Befehl Hitlers. Außerdem: »Als Sühnemaßnahme sind 10000 verdächtige Tschechen oder solche, die politisch etwas auf dem Kerbholz haben, zu ergreifen bzw. soweit sie bereits in Haft sind, in den Konzentrationslagern zu erschießen.«
»Als Blutzeuge gefallen«: Hitler spricht auf der offiziellen Trauerfeier für Heydrich in der Berliner Reichskanzlei.
Ullstein Bild, Berlin (Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl)
Eine Großfahndung lief an. Im gesamten Protektorat galt der Ausnahmezustand, Ausgehverbot von 21 Uhr abends bis 6 Uhr früh. Der Zugverkehr wie alle öffentlichen Verkehrsmittel lagen still. Kinos und Theater, Restaurants und Kaffeehäuser waren geschlossen. In den Straßen der Städte herrschte gespenstische Leere. Nur bewaffnete Wehrmachts- und Polizeistreifen waren zu sehen. Uniformierte durchkämmten Haus für Haus, suchten die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen – und fanden 20 Tage lang nichts. Doch unter dem Eindruck der Repressalien meldete sich schließlich Karel Čurda bei der Gestapo – jener SOE -Kamerad, der im März 1942 in der Tschechoslowakei gelandet war und nach dem Scheitern seiner Mission in Prag bei seiner Mutter Zuflucht gesucht hatte. Er verriet den Deutschen am 16. Juni die Namen der Täter, sämtliche Kontakte und Zufluchtsorte. Als Belohnung soll er eine halbe Million Reichsmark erhalten haben.
Für Hinweise zur Ergreifung der Attentäter wurden im »Protektorat« hohe Belohnungen ausgesetzt.
Ullstein Bild, Berlin (Lebrecht Music & Arts)
Es waren Tage der Angst und des Horrors, weil die ganze Stadt durchkämmt wurde. Praktisch jede Wohnung wurde von der SS, von Polizeikräften oder von Armeekräften durchsucht, ob sich dort nicht fremde Personen befänden. Man suchte die Attentäter.
Pavel Kohout, tschechischer Schriftsteller
Deutsche Einheiten vor der Karl-Borromäus-Kirche in Prag. In der Krypta hatten sich die Heydrich-Attentäter zusammen mit weiteren SOE-Männern versteckt.
Č TK PhotoBank, Prag (N.N.)
Die Leichen der Attentäter nach dem Feuergefecht am 18. Juni 1942. Kubiš starb nach einer Verwundung auf dem Weg ins Krankenhaus, die anderen töteten sich selbst.
Bundesarchiv, Koblenz (Bild146-1972-039-14)
Die Attentäter hatten sich – so Čurda – zunächst bei einigen tschechischen Familien, die im Widerstand aktiv waren, versteckt. Die Gestapo stürmte als Erstes die Wohnung der Familie Moravec. Die Mutter, Marie, tötete sich selbst, ihr Sohn Vlastimil wurde verhaftet und einen Tag lang gefoltert. Dann verriet er den Aufenthaltsort der SOE -Agenten: Sie hätten auf Geheiß eines orthodoxen Priesters Zuflucht in der Karl-Borromäus-Kirche (der heutigen St.-Cyrill-und-Method-Kirche) in Prag genommen. SS -Soldaten belagerten schließlich das Gotteshaus, in dem sich die Attentäter und fünf weitere SOE -Agenten versteckt
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