Geheimnisvoll und unwiderstehlich
Kompliment. Aber Sie sind bestimmt auch mehr als nur ein Vagabund.“
Noch immer ruhte seine Hand auf ihrem Arm, dann legte er plötzlich seinen Arm um ihre Taille. Mimi erstarrte, weil die Berührung so unerwartet kam. Der körperliche Kontakt zu Hal war ihr zwar willkommen, aber er überforderte sie auch. Daher trat sie einen Schritt zur Seite und löste die Verbindung.
Intimität war ihr bisher immer fremd geblieben, und sie wollte auch jetzt nicht damit anfangen. Natürlich sehnte sie sich manchmal nach körperlicher Nähe zu einem Mann, aber letztlich kannte sie sich damit nicht aus.
Ihre Mutter war eine warmherzige, extrovertierte Italienerin gewesen, die es geliebt hatte, sie zu umarmen und zu streicheln. Ihr Vater hingegen hatte dabei immer nur zugesehen. Er war ein ruhiger, reservierter Mann, der sie zwar auf seine Weise liebte, es aber nicht dauernd hatte zeigen müssen.
In Momenten wie diesen wünschte Mimi sich manchmal, mehr wie ihre Mutter zu sein. Aber sie hatte in den letzten Jahren gelernt, gut auf ihr Herz aufzupassen und es unter Verschluss zu halten, wenn sie überleben wollte.
„Warum verurteilen Sie sich für das Leben, das Sie bisher geführt haben?“, fragte sie provozierend. „Ich beneide Sie darum, dass Sie in all diese Länder reisen durften. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass es zuweilen etwas einsam war.“
Sie waren sich jetzt so nahe, dass Mimi jedes kleine Fältchen in seinem Gesicht erkennen konnte. Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich ihre Blicke. Sie fühlte sich plötzlich so sehr mit ihm verbunden, dass es ihr die Sprache verschlug.
Hal ließ sich Zeit mit der Antwort, dann nickte er. „Ja, das stimmt“, erwiderte er ruhig. „Ich war zwar an einigen der schönsten Orte dieser Erde. Aber es muss wunderbar sein, solche Erlebnisse mit jemandem teilen zu können, der einem nahesteht. Wissen Sie, was ich meine?“
„Ja, ich weiß es genau.“ Ihre Stimme war kaum ein Flüstern. Wie magisch angezogen, strich er ihr übers Haar, dann küsste er sie ganz sanft auf die Stirn.
Für den Bruchteil einer Sekunde gönnte Mimi sich den Luxus, diesen kurzen körperlichen Kontakt mit Hal zu genießen. Sie sog seinen männlichen Duft tief ein.
Noch immer standen sie nah beieinander, und Hal sah sie an – mit diesen unglaublich braunen Augen. Mit der Hand, die noch immer auf ihrer Hüfte lag, zog er sie näher an sich, und Mimi spürte, wie er begann, ihren Rücken sanft zu streicheln.
Ihre Empfindungen drohten sie zu überwältigen. Als plötzlich das Telefon läutete, dachte sie zunächst, es wäre das laute Rauschen ihres Bluts in ihren Ohren. Erst als sie die Ansage hörte, kam sie wieder zu sich.
„Hallo, Miss Ryan, hier ist Paul, der Fotograf. Bitte entschuldigen Sie die Störung, aber meine Redaktion hat mich gefragt, ob ich für den Artikel über die Ausstellung noch ein Interview mit Ihnen machen kann. Ginge es für Sie in der nächsten Stunde? Selbstverständlich komme ich auch gern ins Atelier. Jedenfalls können Sie mich bis um zwei Uhr anrufen, so lange bin ich noch hier auf der Ausstellung zu erreichen. Danke und bis später!“
Hal zog seine Hand zurück. Erst jetzt merkte Mimi, dass sie die ganze Zeit über die Luft angehalten hatte. Doch der Zauber des Moments war zerstört.
Er griff nach seiner Krücke und räusperte sich. „Es wird Zeit, dass ich mir den Saal im Hotel anschaue“, sagte er, ohne sie anzuschauen. „Wir sehen uns dann später.“ Noch bevor sie Zeit zum Antworten hatte, hatte er sich die Kameratasche über die Schulter geworfen und verließ den Raum.
Versonnen winkte Mimi ihm nach. „Ja, bis später. Und … wow!“
Vier Stunden später schmerzte sein Rücken so sehr, dass nicht einmal eine Massage geholfen hätte. Hal humpelte durch den Strickladen, nickte den Kundinnen zu und war froh, als er endlich im Atelier war und die Tür hinter sich zumachen konnte.
Nach so vielen Stunden im Ballsaal des Hotels, das Poppy für die Modenschau ausgesucht hatte, brauchte er jetzt eine heiße Dusche, ein gutes Essen und Schlaf – sehr viel Schlaf.
Poppy hatte absolut recht gehabt, als sie sich darüber beschwerte, wie viel es noch zu tun gab. Erschwerend kam noch hinzu, dass das Management des Hotels sich entschieden hatte, mit den Renovierungsarbeiten früher zu beginnen als geplant.
Während des Gesprächs mit dem Geschäftsführer war zweimal der Strom ausgefallen. Andererseits hatten die zähen Verhandlungen auch zu einem
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