Geheimnisvoll und unwiderstehlich
bewusst, dass sich das Gerücht um ihren neuen Bekannten anscheinend bereits im ganzen Laden verbreitet hatte.
Selbst Mrs Papadopoulos – zweiundsiebzig, verwitwet, zwölf Enkel, von Arthritis geplagt – konnte die Augen nicht von Hal wenden, als er die Richtung ins Atelier einschlug.
Unglaublich!
Andererseits konnte Mimi ihr keinen Vorwurf machen. Er war nun wirklich eine attraktive Erscheinung, und außerdem trug er Jeans, die seinen durchtrainierten Körper hervorragend zur Geltung brachten.
„Alles Gute zum Geburtstag deiner Mutter, Mimi. Meinen herzlichen Glückwunsch!“
„Danke, Mrs Papadopoulos. Wie nett von Ihnen!“
Hal hatte sein Jackett bereits abgelegt und war gerade dabei, seine Kamera auszupacken, als Mimi sich neben ihm zum Computer stellte. Er zeigte auf den Stapel von Karten auf dem Schreibtisch.
„Ihre Mutter scheint ja wirklich sehr beliebt zu sein. Planen Sie etwa eine Geburtstagsfeier? Für ein gutes Essen würde ich einiges tun. Ich könnte Ihre Gäste mit Anekdoten über meine Reisen unterhalten oder ihnen meine Dias über das Kunsthandwerk in Südamerika, Indien, Nepal oder Ostafrika zeigen.“
„Alles für eine gute Mahlzeit? Dieses Angebot kann man ja wohl kaum ablehnen.“ Mimi lächelte, vermied es aber, ihn anzuschauen. „Nein, tut mir leid, es wird keine Feier geben.“
„Bitte sagen Sie nicht, dass ich sie verpasst habe. Ich habe mich nämlich schon sehr darauf gefreut, Ihre Mutter kennenzulernen. Vielleicht erkennt sie ja wenigstens, dass ich ein Händchen für Mode habe.“
Mimi begann, zwei Pakete mit Strickzeug auszupacken, die gerade mit der Post gekommen waren.
Okay, es war ja nicht zu ändern – sie musste wohl oder übel mit der Sprache herausrücken.
„Ich enttäusche Sie wirklich nur ungern, aber leider ist meine Mutter vor einem halben Jahr gestorben. An einem Schlaganfall, sie war bereits seit einigen Monaten krank gewesen. Danach haben all ihre Freunde und ich uns darauf geeinigt, dass wir ihren Geburtstag trotzdem feiern würden. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“
Sie holte tief Luft und drehte sich zu ihm um. Doch es geschah wohl ein wenig zu schnell, denn sie stieß dabei eines der Pakete um, das mit einem lauten Knall zu Boden fiel. Wenigstens löste sich dadurch die Spannung im Raum etwas.
Hal bückte sich, hob das Paket auf und reichte es ihr.
„Danke, das … das war sehr ungeschickt von mir“, sagte sie mit leiser Stimme.
„Kein Problem“, entgegnete er ernst. „Das tut mir sehr leid. Bitte entschuldigen Sie meinen lockeren Tonfall. Bestimmt vermissen Sie Ihre Mutter sehr.“
Mimi lächelte mühsam. Aber dann merkte sie, dass sie sich vor ihm nicht zu verstellen brauchte.
„Oh ja“, erwiderte sie daher einfach nur und stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich habe mir so sehr gewünscht, dass sie lange genug leben würde, um meine erste eigene Kollektion zu sehen. Sie müssen wissen, dass wir gemeinsam an den Entwürfen gearbeitet haben.“ Mimi spürte, dass sie kurz davor war, diesem fremden Mann ihr Innerstes zu offenbaren. Aber dazu war sie nicht bereit. Ihr Kummer war etwas sehr Privates. Sie hatte gelernt, ihre Gefühle für sich zu behalten und sich anderen gegenüber nie schwach zu zeigen.
„Mimi, ich …“ Hal legte ihr die Hand auf den Arm und gab ihr Halt. „Machen Sie sich keine Sorgen. Es ist alles in Ordnung. Ich finde es wunderbar, dass Sie ihren Geburtstag feiern. Vielleicht hätte ich nach dem Tod unserer Mutter dasselbe tun sollen.“
Mimi sah ihn fragend an.
„Sie kamen bei einem Erdbeben in der Türkei ums Leben“, erklärte Hal. „Poppy war damals erst zehn. Ich bin nicht gerade sentimental, daher bin ich auch gar nicht auf einen solchen Gedanken gekommen. Aber vielleicht hätte es ihr geholfen, über den Verlust hinwegzukommen. Ich finde es wunderbar, dass Sie Ihre Mutter auf diese Weise im Gedächtnis behalten. Bestimmt war sie eine bemerkenswerte Frau.“
Mimi nickte. „Ja, allerdings. Aber Sie hatten es dann ja offensichtlich auch nicht leicht. Bestimmt wären Ihre Eltern stolz auf Sie, wenn Sie wüssten, was Poppy und Sie alles erreicht haben.“
„Ich? Ach, da bin ich mir nicht sicher. Ich bin ja mehr ein Vagabund. Aber Sie haben etwas Beachtliches geleistet – Sie sind Geschäftsfrau, Designerin, Lehrerin und offensichtlich eine begnadete Strickerin. Vier verschiedene Jobs – das kann sich sehen lassen.“
Mimi war froh, dass er das Thema gewechselt hatte. „Danke für das
Weitere Kostenlose Bücher