Geheimnisvoll und unwiderstehlich
Tür. Wer konnte das sein – an einem so frühen Samstagmorgen?
Entweder wieder jemand von der Presse – oder Hal.
Vielleicht wollte er mit ihr noch einmal alles durchsprechen. Ja, so musste es sein. Niemand anderes wäre so verrückt gewesen, zu dieser frühen Morgenstunde im Atelier aufzutauchen.
Aber als sie die Tür öffnete, war niemand zu sehen. Enttäuscht darüber, dass er es nicht war, wollte sie sie schon wieder zumachen, als sie ein großes buntes Paket erblickte, das jemand auf der Schwelle abgestellt hatte.
Neugierig hob Mimi es hoch und merkte, dass es ganz schön schwer war. Sie setzte es wieder ab und packte es aus. Plötzlich stieg ihr ein wunderbarer Blütenduft in die Nase. Es war weißer Jasmin – in einem großen Keramiktopf, der genau zu den anderen Töpfen auf der Terrasse passte.
Hal!
Mimi sah sich suchend auf der ruhigen Straße um, die verlassen im Licht des frühen Morgens dalag. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, aber es war niemand zu sehen. Daher machte sie die Tür zu und trug den Topf mit der Pflanze in ihr Atelier.
Beim Auspacken fand sie einen gefütterten Umschlag vor, der mit Tesafilm an den Topf geklebt war.
Sie holte tief Luft und riss ihn auf. Darin befanden sich eine DVD und ein Stück Papier, auf das Hal rasch eine Nachricht gekritzelt hatte:
Ich möchte mich bei Dir entschuldigen, weil ich zu feige war, um Dir die schmutzigen Details aus meiner Vergangenheit zu erzählen. Ich hatte einfach zu viel Angst, dass Du mich rausschmeißt, wenn Du erfährst, was für ein Versager ich bin. Danke, dass Du mir zugehört hast, Mimi. Eines sollst Du wissen: Die Kamera lügt nie! Ich liebe Dich so, wie Du bist, und Du bist wunderschön. Dennoch möchte ich meine Frage wiederholen. Bist Du bereit, ein Risiko mit mir einzugehen?
Hal
Die Kamera lügt nicht? Er liebt mich so, wie ich bin? Was hatte das zu bedeuten?
Mit zitternden Fingern steckte Mimi die DVD in den Schlitz ihres PCs.
Es war eine ganze Fotostrecke, aufgenommen an dem Tag, als ihre Studentinnen ihre Arbeiten ausgestellt hatten.
Sie sah die Kunstgalerie, sah sich selbst, wie sie mit ihren Studentinnen scherzte und lachte und eine gestrickte Blume in eine Vase auf dem kleinen Tisch mit dem Teeservice steckte.
Das nächste Bild war eine Nahaufnahme bei der Arbeit mit Lola, dem Model, im Hotel. Mimi hatte ein paar Stecknadeln im Mund und war dabei, den Saum des blauen Kleids zu kürzen.
Dann gab es noch mehr Close-ups – von ihrem Nacken, von ihren Händen, ihrem Gesicht und ihrem Haar. Hal hatte kleine Details eingefangen, wie sie eine Nadel hielt und wie sie den Kopf beim Lachen zurückwarf.
Mimis Lächeln. Mimi, wenn sie traurig war. Ihr müdes, blasses, abgespanntes Gesicht. Hal hatte alles eingefangen, er hatte sie hinter seiner Linse beobachtet. Und er hatte sie die ganze Woche über fotografiert.
Er liebte sie so, wie sie war.
In diesem Moment hörte sie ein leises Geräusch hinter sich und drehte sich um. Hal stand auf der Terrasse, eine Hand in der Hosentasche, mit der anderen stützte er sich auf seine Krücke. Er sah sie nur an. Mimi fiel auf, wie erschöpft er wirkte.
Dann trafen sich ihre Blicke – und es brach ihr das Herz.
Sie lief zur Terrasse, so schnell sie konnte, und warf sich an seine Brust. Sie schluchzte, lachte und weinte vor Glück, als er sie, so gut er konnte, hochhob. Er umarmte sie und lachte laut und befreit.
Mimi hätte so gern etwas gesagt, aber die Worte blieben ihr in der Kehle stecken. Glückstränen liefen ihr die Wangen herunter.
Als Hal dann zu reden begann, war seine Stimme ganz leise, kaum mehr als ein Flüstern. Er hatte die Stirn gegen die ihre gepresst und hielt ihren zitternden Körper noch immer ganz fest an sich gedrückt.
„Du hast auf meine Anrufe nicht reagiert, daher musste ich durch die Hintertür hereinkommen. Lass mich in dein Leben hinein, Mimi. Wirst du das machen? Wirst du mir erlauben, dich zu lieben?“
Anstelle einer Antwort nahm sie sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn so lange, bis sie keine Luft mehr hatte.
„Ja. Ja, Hal. Ich brauche keine Kamera und keine Fotosammlung, um dir zu glauben, dass du mich so liebst, wie ich bin. Ich weiß, wer du bist, und ich möchte mit dir zusammen sein.“
„Heißt das, ich kann meinen Schlafsack jetzt hierlassen?“, fragte er sie zwischen zwei Küssen.
Darüber musste Mimi noch mehr lachen. Glücklich schmiegte sie sich an ihn.
„Vergiss den Schlafsack. Du brauchst ihn nicht mehr. Ab
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