Geheimnisvolle Palmblätter: Ist unser Leben Schicksal oder Zufall, Karma oder Chaos? (German Edition)
in traumhaften Zuständen, nicht im Schlafe oder in Geistesgestörtheit, nicht mit den Augen des Körpers oder den Ohren des äußeren Menschen und nicht an abgelegenen Orten, sondern wachend, besonnen und mit klaren Geiste, mit den Augen und Ohren des inneren Menschen, an allgemein zugänglichen Orten, so wie Gott es will. Wie das geschieht, ist für den mit Fleisch umkleideten Menschen schwer zu verstehen.“
Licht spielt wie bei allen mystischen Erfahrungen so auch für Hildegard von Bingen eine entscheidende Rolle. Das Lichterleben ist nicht Einbildung, Traum oder Rausch, sondern erlebte Wirklichkeit. Das Licht bringt Wärme und vor allem inneres Verstehen mit sich, es offenbart den bislang verborgenen Sinn der heiligen Schriften.
Die von ihr geschauten Visionen nimmt sie nicht mit den physischen Sinnesorganen wahr, sondern mit dem inneren Augen und Ohren. Auch hier also eine unübersehbare Paralelle zu den Aussagen der „Wissenschaft der Spiritualität“. Es bedarf keiner „magischen“ Orte, sondern ist offensichtlich immer dann und dort möglich, wann und wo Gott es will. Der Begriff des „mit Fleisch umkleideten Menschen“ bezeichnet jene, die sich nur ihrer Körperform bewußt sind, diese als die einzige Realität erleben und (noch) keinen Einblick in die geistige Wirklichkeit erlangt haben.
Meister Eckehart, ca. 1260 bis ca. 1327, gilt als einer der bedeutendsten Mystiker des europäischen Mittelalters. Der Dominikaner-Mönch war Prior in Straßburg und Leiter des Ordensstudiums in Köln. Die Kirche eröffnete gegen ihn ein Inquisitionsverfahren, ein Teil seiner Aussprüche wurde verboten, er starb vor Beendigung des Verfahrens. Vor allem aus asiatischer Sicht wird Meister Eckehart oft mit höchsten Zen-Meistern verglichen oder auch als „Buddha des Westens“ bezeichnet.
Hier einige Zitate, die zeigen, daß Meister Eckehart in höchste mystische Dimensionen vorgestoßen war, in der kirchliche Dogmen nicht mehr zählten, wo es stattdessen nur auf unmittelbare eigene Gotteserfahrung ankam.
„Wer zum höchsten Adel seines Wesen gelangen will und zur Anschauung des höchsten Gutes, das Gott selber ist, der muß ein Erkennen seiner selbst haben, wie auch der Dinge, die um ihn sind, bis zum Höchsten. Nur so gelangt er zu seiner wahren Lauterkeit. Darum, mein lieber Mensch, lerne du dich selbst erkennen; das ist dir besser, als wenn du alle Kräfte der Kreatur kenntest.“
Damit wird jene Bedingung angesprochen, die zur Lösung des Rätsels der menschlichen Existenz notwendig ist: Selbsterkenntnis, oder wie es über dem Tempel von Delphi verewigt wurde: „Mensch, erkenne dich selbst.“
Meister Eckehart fährt fort: „Wie du aber dich selber erkennen kannst, dazu merke zweierlei Weise. Zuerst siehe zu, wie es um deine äußeren Sinne steht: Das Auge steht allezeit dem Bösen ebenso bereit zum Sehen wie dem Guten; ebenso das Ohr dem Hören, und so ist es mit allen Sinnen. Darum müßt ihr euch mit großen Ernst dem Guten zuwenden.
Sodann vernehmt von den inneren Sinnen ...
Denn was die Seele empfängt, das empfängt sie durch den Willen und anders nicht. Durch die Gnade des höchsten Gutes werden die anderen Vermögen in der Einheit einer Natur gekräftigt, und da wird dann das Licht entzündet in der Kraft des Heiligen Geistes. Und aus diesem Licht werden alle Werke der Seele gewirkt. Eine wahre Urkunde dieses gnädiglichen Lichts ist es, wenn dann ein Mensch mit freiem Willen sich abwendet von den vergänglichen Dingen und sich hinkehret zu dem höchsten Gute, das Gott selber ist.“ (Aus der Predigt zur Vollendung der Seele.)
Der Wille, der freie Wille zumal, hatte also auch in Meister Eckeharts Weltsicht große Bedeutung. Zuerst kommt die Gnade, welche das Licht und die Kraft des heiligen Geistes schenkt. Daraus erwächst die Fähigkeit der Seele, sich aus freiem Willen dem zuzuwenden, was ewig ist. Er beschreibt drei Wege der Seele dorthin.
„Die Seele hat drei Wege zu Gott. Der eine ist dies: mit ... brennender Liebe in allen Kreaturen Gott zu suchen. ...
Der zweite Weg ist ein wegloser Weg, frei und doch gebunden, wo man willen- und bildlos über sich und alle Dinge weithin erhaben und entrückt ist, wiewohl es doch noch keinen wesenhaften Bestand hat. ... Der dritte Weg heißt zwar Weg und ist doch ein Zuhause-Sein: Gott zu schauen unmittelbar in seinem Sein. ... Auf diesem Wege von Gott hineingeleitet vom Lichte seines Wortes und umfangen von der Liebe des Geistes ihrer beider, das
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