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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
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Leben ihr noch immer genauso sinnlos erschien wie vorher), beschloss sie, zum Zug zurückzugehen, um die Heimfahrt anzutreten.An dem kleinen Bahnhof angelangt, musste sie feststellen, dass das Gefährt noch nicht an Ort und Stelle war, und so wartete sie mit den anderen Trauergästen, die nach und nach aus den Erfrischungsräumen zum Vorschein kamen, auf dem Bahnsteig.
    Schon als Kind hatte Grace sich angewöhnt, Leute zu beobachten, was sich später, als sie mit dem Kresseverkaufen anfing, als äußerst hilfreich erwies, da sie schnell lernte, wen es sich anzusprechen lohnte und wen nicht. Als sie nun die Zylinder tragenden Bestattungsunternehmer beobachtete, wie sie um die Grüppchen ihrer trauernden Kundschaft herumscharwenzelten, sie hierhin und dorthin dirigierten, kam sie nicht umhin festzustellen, dass manche von ihnen sehr viel eifriger auftraten als andere. Ihre Beileidsbekundungen waren wortreicher, ihr Bemühen um die Kundschaft eifriger: Immer hatten sie einen extra Schal oder ein schwarz umrandetes Taschentuch bei der Hand, klopften hier beschwichtigend eine Schulter, tätschelten dort tröstend einen Arm, reichten ein Tüchlein zum Trocknen der Tränen und suchten die Angehörigen mit Floskeln von einem »guten Tod« oder dem »Trost eines schönen Begräbnisses« zu beruhigen.
    Dies war Graces erste Begegnung mit den Unwins.
    Mr   George Unwin war Eigentümer des größten Bestattungsunternehmens in London, stets bereit – um nicht zu sagen, begierig   –, die Hinterbliebenen mit jeglicher nur erdenklichen Dienstleistung rund umdie Bestattung ihres Angehörigen zu versorgen. Beim Unwin Bestattungsunternehmen konnte man aus einem Sortiment von neunundzwanzig verschiedenen Särgen wählen, alle mit austauschbaren Seidenausstattungen sowie Beschlägen und Griffen wahlweise aus Messing oder Silber. Hier konnte man Glaskutschen bestellen, samt zugehörigem, mit Federbüschen geschmücktem Pferdegespann, Sargtücher aus Samt, Trauerflore, Fähnchen, Trauerstäbe, Blumenkränze sowie professionelle, in beliebige Mengen schwarzen Krepp gehüllte Sargbegleiter. Das Einzige, was es nicht gab, war Trauerbekleidung, doch dafür – nämlich jegliche Art von Kleidungsstücken, dazu Schleier, Taschen, Handschuhe, Schals, Stolen und weitere Accessoires für die erste, zweite und dritte Trauerphase – gab es ja glücklicherweise das Unwin Trauerbekleidungskaufhaus in der Oxford Street, das größte seiner Art in London, im Besitz von Mr   Sylvester Unwin, Mr   George Unwins Cousin.
    Mrs   Emmeline Unwin, George Unwins Gattin, sah Grace still und in sich versunken auf dem Bahnsteig stehen, offenbar allein und ohne Familienangehörige. Mrs   Unwin war eine ungewöhnliche, jedoch höchst einfallsreiche Ergänzung zu einem modernen Bestattungsunternehmer, denn ihr einziger Zweck bei der Beerdigung bestand darin, den Vertreterinnen des schwachen Geschlechts, die von ihren Gefühlen überwältigt wurden, Trost zu spenden. Sie war eine hagere, hoch aufgeschossene Frau mit fahlem Gesicht,kleinen Augen und einem Lächeln, das ebenso viel Zahnfleisch wie Zähne entblößte. Um ganz und gar mit ihren Kundinnen mitfühlen zu können, trug sie praktisch permanent Schwarz und verfügte zu diesem Zweck über gut und gerne zwanzig oder noch mehr modische Trauerkostüme inklusive der dazu passenden Hüte und Schleier. Ihre Mission bestand darin, die Hinterbliebenen zu überzeugen, dass man im Tragen der neuesten Trauermode nicht so sehr eine Geldausgabe als eine Ehrenbezeugung gegenüber dem Verstorbenen sehen sollte, und so segelte sie nun in einem topmodischen Kleid mit bauschigen, von einer Krinoline getragenen Röcken, die beim Gehen hin und her schaukelten, auf Grace zu.
    »Mein liebes Kind, ist alles in Ordnung?«, fragte sie und legte ihr mitfühlend die Hand auf den Arm. Aus nächster Nähe fiel ihr allerdings auf, wie schäbig Graces Kleider waren, und dass hier kein Geld zu verdienen war, indem man etwa eine Marmorstatue als Trost in der dunkelsten Stunde vorschlug. Doch sie witterte sofort eine andere Gelegenheit. »Mein armes Kind, du scheinst vollkommen niedergeschlagen.«
    Grace brachte trotz ihrer Müdigkeit einen kleinen Knicks zustande. »Vielen Dank, aber ich komme schon zurecht.«
    »Was für ein trauriges Gesicht du hast!« Mrs   Unwin senkte die Stimme. »Hast du schon einmal daran gedacht, als Sargbegleiterin bei einem Beerdigungsunternehmen zu arbeiten?«
    Grace schaute sie verblüfft an. Sie

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