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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Deaver
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sich die Tür, und ein kräftiger Mann Ende fünfzig blickte zu Amelia auf. Er trug einen grünen Trainingsanzug.
    »Detective Snyder?«, sprach Sachs ihn wohlweislich mit seinem alten Dienstgrad an. Höflichkeit bringt dich weiter als eine Waffe, hatte ihr Vater immer gesagt.
    »Ja, kommen Sie rein. Sie sind Amelia, nicht wahr?«
    Nachname gegen Vorname. Man hat es stets selbst in der Hand, welche Kämpfe man ausfechten möchte. Sie lächelte, gab ihm die Hand und folgte ihm hinein. Das kalte Licht der Straßenbeleuchtung fiel durchs Fenster, und das schmucklose Wohnzimmer wirkte unfreundlich. Sachs roch den feuchten Qualm aus dem Kamin und zudem eine Katze. Sie zog ihre Jacke aus und setzte sich auf ein ächzendes Sofa. Der große Ruhesessel, neben dem drei Fernbedienungen lagen, war ganz eindeutig der Thron des Hausherrn.
    »Meine Frau ist unterwegs«, verkündete er. Er kniff die Augen zusammen. »Sind Sie Herman Sachs’ Mädchen?«
    Mädchen ...
    »Ganz recht. Haben Sie mit ihm zusammengearbeitet?«

    »Ja, hin und wieder. In Brooklyn und bei ein paar Aufträgen in Manhattan. Prima Kerl. Ich hab gehört, seine Ruhestandsparty war phänomenal. Ging die ganze Nacht lang. Möchten Sie eine Limo, ein Wasser oder so? Nichts Härteres, tut mir leid.« Er sagte dies in einem ganz bestimmten Tonfall, der – zusammen mit der rot geäderten Nase – Amelia verriet, dass Snyder wie so viele Polizisten in einem gewissen Alter ein Alkoholproblem gehabt hatte. Und sich nun auf dem Weg der Besserung befand. Gut für ihn.
    »Nein, vielen Dank... ich habe nur ein paar Fragen. Sie haben kurz vor Ihrer Pensionierung in einem Raubüberfall mit Todesfolge ermittelt. Der Name des Opfers war Frank Sarkowski.«
    Sein Blick huschte über den Teppich. »Ja, ich erinnere mich an ihn. Irgendein Geschäftsmann. Wurde bei einem Straßenraub erschossen oder so.«
    »Ich wollte mir die Akte ansehen, aber sie ist verschwunden. Die Beweise ebenfalls.«
    »Keine Akte?« Snyder zuckte die Achseln. Er schien ein wenig überrascht zu sein. Aber nicht allzu sehr. »Der Aktenraum im Revier war schon immer das reinste Durcheinander.«
    »Ich muss wissen, was passiert ist.«
    »Herrje, so viel weiß ich auch nicht mehr.« Snyder kratzte sich den Rücken seiner muskulösen Hand, der von einem Ekzem befallen war. »Sie wissen schon, es war einer dieser Fälle. Keine Anhaltspunkte... nicht ein einziger. Nach einer Woche sind sie vergessen. Ein paar davon dürften Ihnen auch schon untergekommen sein.«
    Das war fast eine Beleidigung, ein Kommentar zu der Tatsache, dass sie offensichtlich noch nicht lange Detective war und vermutlich bislang kaum einen solchen Fall bearbeitet hatte. Und auch nicht viele andere, was das betraf.
    Sachs reagierte nicht darauf. »Erzählen Sie mir, woran Sie sich erinnern.«
    »Er wurde auf einem leeren Grundstück neben seinem Wagen gefunden. Kein Geld, keine Brieftasche. Die Mordwaffe lag ganz in der Nähe.«
    »Was war es für ein Modell?«
    »Ein kalter Smittie-Nachbau. Sauber abgewischt – ohne brauchbare Fingerabdrücke.«
    Interessant. Kalt bedeutete keine Seriennummer. Wenn böse Jungs
eine nicht zurückverfolgbare Schusswaffe benötigten, kauften sie sich ein solches Exemplar auf der Straße. Die eingestanzten Kennziffern einer herkömmlichen Waffe – wie sie für jeden amerikanischen Hersteller vorgeschrieben waren – ließen sich nie vollständig beseitigen, aber manch ausländischer Anbieter versah seine Produkte nicht mit einer Nummer. Pistolen dieser Art waren daher bei Profikillern recht beliebt und wurden häufig am Tatort zurückgelassen.
    »Haben Ihre Informanten denn im Nachhinein nichts gehört?«
    Viele Morde wurden aufgeklärt, weil der Täter den Fehler beging, mit seiner Kühnheit bei einem Raubüberfall oder der Höhe der angeblichen Beute zu prahlen. Die Spitzel erfuhren davon und verrieten den Kerl gegen eine entsprechende Gefälligkeit an die Polizei.
    »Nein, gar nichts.«
    »Wo lag dieses leere Grundstück?«
    »Am Kanal. Kennen Sie diese großen Tanks?«
    »Die Erdgastanks?«
    »Ja.«
    »Was hat er da gemacht?«
    Snyder zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Er hatte doch diese Wartungsfirma. Ich schätze, einer seiner Kunden war dort draußen, und er hat irgendwelche Arbeiten erledigt oder so.«
    »Hat die Spurensicherung etwas Greifbares gefunden? Partikel? Fingerabdrücke? Fußspuren?«
    »Uns ist nichts aufgefallen.« Seine wässrigen Augen musterten sie prüfend. Er sah ein wenig verwirrt

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