Gehirntraining - Ueber Die Benutzung Des Kopfes.
Verfahren wie die funktionelle Kernspintomografie zeigen vielmehr, dass Musik die unterschiedlichsten Hirnregionen gleichzeitig aktiviert: Areale, die für die bloße Tonwahrnehmung zuständig sind, ebenso wie Bereiche, die die Motorik steuern oder die räumlich visuelle Wahrnehmung. Neueste Forschungen haben zudem gezeigt, dass an der Verarbeitung von Musik auch das sogenannte Broca-Areal beteiligt ist, eines der beiden Sprachzentren. Ja, es scheint beinahe, als wäre das gesamte Gehirn involviert, wenn wir uns mit Musik beschäftigen.
Entscheidender noch ist die Feststellung, dass Musik nicht in jedem Kopf auf die gleiche Weise repräsentiert wird: Wenn sich ein musikalisch ungeschulter Laie ein spätes Beethoven-Quartett anhört, werden dabei andere und weniger Bereiche in seinem Gehirn aktiv, als es bei einem professionellen Musiker der Fall ist. Die Unterschiede prägen sich sogar strukturell aus: Forscher der Universität Jena haben in Zusammenarbeit mit der Harvard Medical School in Boston herausgefunden, dass sich die Gehirne von Berufsmusikern anatomisch auffällig von
jenen der Nichtmusiker unterscheiden. Bereiche, die für das Hören, das räumliche Sehen und das Umsetzen von Bewegung zuständig sind, sind bei Musikern deutlich vergrößert. Die dreidimensionalen Hirnlandschaftsaufnahmen der Magnetresonanztomografen zeigen außerdem, dass der Balken zwischen rechter und linker Gehirnhälfte, das sogenannte Corpus callosum, kräftiger ausgebildet ist. Schließlich verfügen Musikerhirne auch über mehr graue Substanz. Und der Heidelberger Neurowissenschaftler Peter Schneider entdeckte bei Berufsmusikern sogar instrumentenspezifische Unterschiede in einer bestimmten Hörregion der Großhirnrinde, der sogenannten Heschl-Querwindung. Bis zu 130 Prozent größer sei der Hörkortex bei Musikern und die Nervenzellen doppelt so aktiv wie bei Laien, sagt er. Mit seiner Beobachtung, es handle sich um möglicherweise angeborene, vermutlich nicht veränderbare Strukturen, steht Schneider allerdings alleine da. Denn gerade im Bereich der Musik ist die hohe Plastizität des Gehirns immer wieder erforscht worden.
Eckhard Altenmüller, der Direktor des Instituts für Musikphysiologie und Musiker-Medizin in Hannover, geht sogar so weit zu sagen, Musik sei der stärkste Reiz für neuronale Umstrukturierung, den wir kennen. Gemeinsam mit Marc Bangert hat er gezeigt, dass es bei Laien bereits nach einer ersten, zwanzig Minuten dauernden Übungssitzung am Klavier zu einer Kopplung zwischen den neuronalen Repräsentanzen des Hörens und der Bewegung kommt. Nach fünfwöchigem Training bildet sich eine spezielle Hirnregion aus, die vermutlich die
Ton- und Tasteigenschaften des Klaviers repräsentiert. Beim geübten Musiker schließlich erscheinen die gehörten Töne und die Bewegungen der Finger als zwei Facetten ein und derselben neuronalen Repräsentation. Die Verbindung zwischen den Hör- und den Bewegungszentren nutzt der amerikanische Musiktherapeut Michael Thaut von der Staatsuniversität Colorado in Fort Collin, um Schlaganfallpatienten, Parkinson- und Huntingtonkranken mithilfe von Musik das Gehen neu beizubringen. Der Neurologe und Bestsellerautor Oliver Sacks erzählt in seinem neuesten, bislang nur auf Englisch erschienenen Buch »Musicophilia« auch von musiktherapeutischen Erfolgen in Fällen von Demenzerkrankungen, Amnesie und Aphasie.
Die Frage danach, ob Musik schlau mache, beantworten Wissenschaftler, seit der sogenannte »Mozart-Effekt« 1993 Furore machte, jedoch nicht mehr ganz so vollmundig wie noch vor einigen Jahren. Nachgewiesen worden war damals, dass das Hören von anregender Musik eine verbesserte Leistung in einem Test für räumliche Vorstellung erzeugt. Allerdings stellte sich bald heraus, dass der »Mozart-Effekt« sich wohl nach jedem als angenehm empfundenen Reiz einstellt.
Altenmüller wies 2002 jedoch darauf hin, dass schon das Hören von Musik als musikalisches Lernen bezeichnet werden kann, da es die auditive Mustererkennung und die Gedächtnisbildung fördere. Chinesische Forscher zeigten, dass sowohl erwachsene Musiker als auch musizierende Kinder über ein besseres Wortgedächtnis verfügen als Nichtmusiker. Eine Steigerung der allgemeinen
Intelligenz wies 2004 der Kanadier Glenn Schellenberg bei Kindern nach, die Klavier- oder Gesangsunterricht nahmen, im Unterschied zu Kindern mit Schauspielunterricht. Dass eine so komplexe Fähigkeit wie die Syntaxverarbeitung durch musikalische
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