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Gehwegschäden

Gehwegschäden

Titel: Gehwegschäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Kuhn
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fallenließen und die Bank ihn am Würgehalsband hielt; drei gezahlt, zwei wieder draufgelegt. Liebend gern hätte er das damals alles in einen günstigeren Ratenkredit umgewandelt und abgestottert. Einen Ratenkredit könne man ihm, dem Freiberufler, leider nicht gewähren, bedauerte die Bank. Drei weg, zwei drauf. Bis er den Würger los war. Jetzt schickten die Verlage die jämmerlichen 150 Euro Honorar, die er als Freier noch für eine Geschichte bekam, via Washington, Tel Aviv und die Cayman Islands auf sein Konto. Zuletzt hatte er sich für eine Position als freier Tankstellenreporter beworben. Ein Tankstellenmagazin suchte auf newsroom.de jemanden, der Raststätten auf Autobahnen und Bundesstraßen abfahren und darüber schreiben sollte. Keine kritischen Berichte natürlich, vielmehr schöne PR-Storys. Frantz schickte einen Lebenslauf und seine besten Geschichten. Einen Kriegsbericht aus dem Kosovo. Eine Reportage über einen Mann, der vor der kubanischen Küste auf einem Autoreifen treibend Schwertfische mit einer bloßen Schnur in der Faust fischte. Ein trauriges Stück über ein Nachtasyl in Sankt Petersburg, für das er einmal einen Preis bekommen hatte. Das Tankstellenmagazin zahlte 40 Euro pro gedruckte Seite. Die Fotos musste man selbst schießen. Benzinkosten wurden nicht übernommen. Man lehnte ihn ab.
    »Steht doch schon in der Bibel. Wer da hat, dem wird gegeben.«
    Mirko nahm einen Schluck Chantré.
    Auch dieser Kassensturz brachte nichts Neues. Seit Fred und der Schweizer einmal 423 Euro mit einer Sechserwette gewonnen hatten, hatte sie das Glück verlassen. Aller Computerkombinatorik von Fred, allem Wissen von Dirk und Mirko zum Trotz. Fred, der mit dem Rücken zur Straße saß, hob gerade sein mitgebrachtes Bierglas an die Lippen, als hinter ihm ein paar Reifen quietschten.
    »FREED!«
    Fred fuhr hoch, schüttete sich Bier ins Gesicht und tat einen Atemzug, als hätte ihn eine Kugel erwischt.
    Cynthia.
    Fred war nass und weiß wie die Wand. Er stand da mit leerem Bierglas in der Hand und sah sich um. Cynthia saß am Steuer ihres kleinen roten Wagens, spuckte Gift und Galle aus dem offenen Fenster und verursachte einen Stau. Frantz und der Schweizer lachten. Am Abend war Peters Zehnerwette futsch. Auch Mirko hatte vergeigt. Er musste zwei Türken Rede und Antwort stehen, die er beraten hatte, beide mause. Steht doch schon bei Dostojewski. Um Geld zu verlieren, muss man welches haben. Postpeter und der Schweizer waren außer sich. Acht italienische Mannschaften hatten unentschieden gespielt. Am Schalter hing ein Zettel. Der Gewinner der Woche. Bei Albers in Steglitz hatte jemand aus zwei Euro 24.499,55 gemacht. Acht Spiele standen auf dem Slip. Die Besonderheit: Der Mann hatte konsequent alle Begegnungen unentschieden getippt.
    »Det is doch ’ne Idiotenwette. So wat kommt seltener vor als ’n Sechser im Lotto«, fluchte Peter.
    »Das ist doch abgesprochen. Abgesprochen. Das kannst du mir nicht erzählen. Nur Betrüger und Deserteure, diese Italiener. Der Garibaldi war auch so ein Räuber. Ab jetzt gibt’s Hörnli statt Spaghetti. Und wenn ich daran ersticke.« Der Schweizer sah Fred wütend an.
    »Hanoi. Lieber Spätzle.«
    »Neies Spiel, neies Glick«, zuckte der Weißkopfadler seine riesigen Schultern.
    »Morgen komm ich nicht. Samstag muss ich mit Cynthia ins Kino«, sagte Fred.
    Wir bitten die Herren zu gehen, rief Maarten. Gesittet wie die Engländer brachen sie auf. Türken, Afrikaner, Bosnier, Araber, Mirko, Fred, Ansgar, Frantz und der Schweizer. Alle mause. Alle fuhren sie dahin mit der U6.
    Am Samstag waren sie wieder da. Peter, Josef, Dirk, Frantz, Mirko und auch Fred.
    »Kino is ausgefallen. Cynthia war schlecht.«
    Fiona Kö im Dritten. Hertha mit Handicap.
    Todsicher.
    Es war einer dieser friedlichen, herrlich sinnfreien Abende vor Bei Heinz und Inge bei mittlerer Temperatur, an dem der Schweizer schmollte, Fred lange Zeit in sein mitgebrachtes Bierglas starrte, dann lachte und vom Alexanderplatz her eine Glocke läutete. Thomas Frantz lehnte, das Spielbein schlenzend, mit dem Ellenbogen auf dem Stromverteilerkasten und hob seine Bierflasche zum Mund.
    Er sah auf die Münzstraße, sah die bunt gekleideten Menschen auf ihrer Suche nach dem verborgenen, geheimnisvollen Münzsalon, hörte die Glocke in der Ferne und erinnerte sich an eine Geschichte. Er erinnerte sich an ein Buch, in dem ein Mann, der den ganzen jämmerlichen Fetzen lang darüber gezetert hatte, wie scheiße das Leben

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