Gehwegschäden
Herzarterie hinein. Es hängen drei kleine Schläuche an dieser Nadel. Durch einen der Schläuche tropft eine Nährsalzlösung, darin das Schmerzmittel, durch die zweite das Antibiotikum. Der dritte Schlauch ist jetzt ohne Verwendung. Darin steckte die Spritze des Oberarztes. Der PJler ist begeistert. Frantz ist glücklich. Sein Herz schlägt wieder. Er ist nicht gestorben. Er atmet. Ganz glücklich. Zu den Lebenden kommt der PJler.
Er sieht an die Decke, sie ist gelblich, er sieht in das Gesicht des PJlers. Es ist freundlich.
»Das würd ich zu gern mal machen, Mann. So ’n ZVK legen. Sieht ganz schön kompliziert aus«, sagt der PJler.
Der PJler lacht.
Thomas Frantz lacht, er wiehert, er brüllt fast vor Lachen, bis er sich beinah verschluckt, und es sticht in seinem Bauch wie ein Bienenschwarm.
Er atmet, er lacht, sie haben nicht geschnitten. Es ist noch mal gut gegangen. So weit. Aufs Erste.
Jedenfalls gut. Jedenfalls gut.
Jedenfalls gut.
Er lacht, er wird nie wieder trinken dürfen, das weiß er und lacht.
Das muss ihm keiner erst sagen. Nicht. Und wenn er noch Wochen hier bleiben muss, bei den katholischen Schwestern. Nie mehr, kein Tropfen.
Da kommt Marie-France.
Jedenfalls gut.
Gehwegschäden
In jüngster Zeit beklagen Begeher und andere Mitarbeiter der Behörde immer häufiger das Bekleben der Hinweis- respektive Zusatzschilder Gehwegschäden sowie Geh- und Radwegschäden durch Dritte. Diese Schäden werden von den Begehern im Begehungsbuch handprotokollarisch festgehalten.
»Durch das Bekleben und Beschmieren der Schilder haben diese oft nur noch eine Halbwertszeit von einer Woche. Dann sind sie gar nicht mehr lesbar und müssen ausgetauscht werden«, stellt ein Mitarbeiter der Behörde fest.
Das Verschmieren und Bekleben öffentlicher Verkehrs- respektive Zusatzzeichen durch Dritte etwa in Form von Mitteilungen, Obszönitäten und Verzierungen vermittels nicht abwaschbarer Filzstifte und kleiner Aufkleber, die in aller Regel Demo- und Partyhinweise enthalten, sei eine »Unzumutbarkeit und ein Phänomen der Zeit«, sagt der Mitarbeiter.
Man versuche noch leidlich, den »Ist-Zustand« zu halten, soweit das der um die Hälfte zurückgefahrene Etat sowie die bis zum Existenzminimum ausgedünnten Personalstände der Behörden überhaupt noch zulassen, bedauert der Mitarbeiter.
Hinzu kommen noch die zunehmende Belastung durch erhöhtes Verkehrsaufkommen und wachsenden Tourismus sowie die Schlampigkeit von Bauunternehmern, deren Subunternehmen und Bauarbeitern bei der Beseitigung von Kollateralschäden im Gehweg-, Radweg- und Fahrbahnbereich, »juckt doch hier kein’ Arsch mehr, wie das aussieht hinterher, nach mir die Sintflut«, flucht der Mitarbeiter der Behörde.
ÜBERHEBLICHKEIT
28. Die Autisten. Thomas trinkt Kaffee bei den Prekarianern. Ein neuer Mensch will er sein, aber die Frage nach dem Herrn und seinem Knecht wird noch einmal geklärt werden müssen
Ein Wartezimmer wie alle.
Venedig-Fotos, am frühen Morgen, auch noch selbst geschossen und gerahmt, silber. Schwarze Freischwinger, christliche Zeitschrift Chrismon. Das Parkett im Berliner Zimmer verschlissen, Praxisgeflüster, bitte schön, danke schön, zehn Euro Gebühr. Einmal Platz nehmen zum großen Blutbild.
Der Doktor empfängt im dreiminütigen Takt.
Er ruft und weiß die Namen seiner Patienten, er ruft sie selbst, die Sprechstundenhilfe hat ihm die Namen mit Akte vorgelegt. Anstehen zum Bild, und dann kriegt der Herr Barmbeck noch EKG, gell Herr Barmbeck, sagt die Stundenhilfe, ein gebrechlicher Mann blickt auf. Gas geben, Gas geben, gell Herr Barmbeck, sagt die Hilfsstunde und haut die Faust zweimal in die flache Hand. Der Doktor empfängt Herr Blaschko bitte, Gas geben. Bewegung, Bewegung, das ist wie beim Boxen, immer in Bewegung bleiben. Der Nächste zum Blutbild, auf auf. Herr Blaschko, da nehmse doch ersma wieda Platz. Ein anderer alter Mann steht vor der Hilfe, er hat einen Zettel in der Hand. Herr Blaschko platzt. Blutbad, der Nächste. Hamse wat jegessen? Wat? Brötchen? Na denn kommse nächsten Dienstag wieda.
Thomas steht jetzt selbst vor der Hilfe, kommse Freitag. Thomas möchte aber Dienstag, und er möchte neben der Kontrolle seiner Lipase-Werte und der Ultraschalluntersuchung seiner angeschlagenen Bauchspeicheldrüse auch ein EKG unter Belastung vornehmen lassen, eine Ultraschallmessung seines Herzens und eine 24-Stunden-Blutdruck-Messung, er ist ein mitdenkender Patient, man muss in diesen Zeiten der
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