Geier (German Edition)
eigentlich eine Vervielfachung des Bankenaufsichtspersonals, was aber politisch seit über einem Jahrzehnt nicht durchzusetzen war. Im Gegenteil: die Zahl der Kontrolleure wurde trotz massiver Ausweitung der Bankvorschriften um die Hälfte reduziert.”
Ignacio schüttelte nur traurig den Kopf. “War bei uns genauso. Neue Gesetze, neue Vorschriften, mehr Überwachung. Aber weil das Geld fehlt, geht die Ausführung in den Arsch. Ist alles nur Augenwischerei, alles nur Propaganda um die Wähler ruhig zu halten.”
„Genau das machen wir uns zunutze, denn durch das nichtvorhandene Personal ist die Aufsicht lange nicht so eingefahren wie beim herkömmlichen Bankenablauf. Und wir brauchen die ja nur kurze Zeit, in einigen Fällen nur übers Wochenende.“ Ignacio hörte aufmerksam zu, Rick hatte einen Notizblock aus der Hosentasche gezogen und hakte ab, während ich erzählte.
„Donnerstagabend fliegt Rick nach Tijuana und bringt am Freitag ein Tonband auf die Post. Tonband Nummer Drei. Das geht an unsere drei Freunde. Am Sonnabend bringe ich irgendwo in Kalifornien drei verschiedene Expresspakete auf die Post. Tonband Nummer Eins geht an Frau Wirtin, Tonband Nummer Zwei geht an den Moreno, und Kopien aller drei Bänder gehen an den Behördenchef der feinen Polizisten.“
Ignacio verstand. „Nicht vergessen, ich habe auch noch was zum Angucken“, sagte er, aber damit wollte ich warten.
„Bis die auf meine Sendung reagieren. Denn das glaubst du doch wohl – sobald die sich das Band aus Tijuana übersetzen lassen, sind sie wie die Wilden hinter dem Moreno her. Der wiederum wird am Montag zur gleichen Zeit das getürkte Band haben. Und seine Alte hört sich ihres an und wird entsprechend disponieren. Mit Glück nehmen die uns gegenseitig einen Teil der Arbeit ab. Darauf bauen wir. Darauf, dass die einander nicht über den Weg trauen. Dass sie das, was sie hören, sofort für bare Münze nehmen.“
„Könnt ihr auch“, meinte Ignacio. „Das ist zwar der älteste Polizeitrick der Welt, aber die fallen immer wieder darauf rein. Kriminelle trauen anderen nämlich jede Krummheit zu, weil das die Grundlage ihres Berufes ist. Bis hierhin klappt´s also; dafür lege ich die Hand ins Feuer.“
Schön, dass es der Fachmann so sah. Rick schaute auch recht zufrieden drein. Ich fuhr fort: „Rick bleibt ab Donnerstag im Hotel, kümmert sich nur noch um die Konten, bereitet Transfers vor, weil alles am Montag aktiviert wird. Und dann muss alles Schlag auf Schlag gehen. Weil dann innerhalb weniger Stunden einer bettelarm wird, und zwei steinreich.“
Wir schauten uns an und grinsten. Alle drei.
„Würdest du uns einen Gefallen tun?“ fragte ich Ignacio.
„Natürlich. Alles. Was brauchst du?“
Ich sagte ihm, was ich brauchte. Er schaute skeptisch, versprach aber, sofort anzurufen.
Rick und ich beugten uns noch mal über unseren Plan. Der sah aus wie eine Eiche, oben breit und nach unten stark verjüngt. Wir fingen oben an, und unten kam der trichterförmige Ausgang des Abenteuers. Allerdings hatten wir uns die Mühe erspart, alle möglichen Ergebnisse einzuzeichnen. Nur eines interessierte uns – das Ergebnis, das uns am Ende reich und gesund zeigt. Alles andere ist Defätismus.
Ignacios tiefe Stimme murmelte beruhigend im Hintergrund, aber urplötzlich wurde sie von einem hellen, metallischen Kreischen übertönt. Rick und ich schauten zum Franziskaner rüber. Der guckte mich traurig an.
„Misty will mit dir sprechen.“ Er hielt mir das schnurlose Klostertelefon hin. Ich zog fragend die Augenbrauen hoch. Er hielt die Hand über die Sprechmuschel und flüsterte, dass er es ihr gesagt habe. Aber er zog dabei den Kopf ein und machte einen schiefen Mund.
„Schatz!“
„Schatz mich nicht, du Schwein. Ignacio will mir ins Ohr säuseln, dass nun alles in Ordnung ist, dass du nur noch ein paar Besorgungen machen musst, und dann können wir alle nach Mexiko. Bullshit! Und dann fällt er mit der Tür ins Haus. Erzählt mir ganz locker, dass du sofort von mir hunderttausend Dollar brauchst.“
Was soll man da sagen?
„Na ja, deswegen bat ich ihn ja, dich anzurufen. Weil ich die Kohle wirklich brauche, und zwar ziemlich bald.“
Sie schluckte trocken.
„Das ist Chuzpe – mein lieber Mann, das ist ein dickes Ding. Lässt mich hier schmoren, rufst nichtmal an, und willst jetzt hunderttausend Dollar von mir?“
Ich fing an, ihr zu erklären, warum ich das Geld haben muss, aber sie legte so plötzlich los,
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