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Geier

Geier

Titel: Geier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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abgehangener Typ, schon ewig nicht mehr der Jüngste, und einer in meinem Alter kann einfach nicht mit der Standfestigkeit und konstanten Bumsbereitschaft eines Zwanzigjährigen mithalten. Also ist mir klar, dass diese Berichte sehr nach Midlifekrise müffeln. Aber ich schwöre, so wie zurzeit war ich schon Jahre nicht mehr drauf. Kann sein, dass es einfach die stete Angst war, die mir den Willi nach oben trieb. Oder die wirklich unglaublichen Frauen, die ich auf einmal mühelos anmachte. Ausgerechnet nach der reichen, streitsüchtigen, versoffenen Patricia. Ich weiß auch nicht.
    Jedenfalls gingen wir wieder zu Werk als sei die Weltmeisterschaft im Dauervögeln auszutragen. Sie wurde immer ungezügelter, immer schamloser. Meine überraschende Haarlosigkeit reizte sie ungemein. Sie machte Sachen mit ihren Beinen und meinem Kopf, die ich bislang ins Reich der Fabel verwiesen hatte. Ich hatte meine Mühe, so zu tun, als sei das alles ganz normal. Als bumse ich immer so.
    Sie war wirklich ein Sonderfall, die Julie Jose de Jesus. Ich glaubte, ich liebte sie. Was ich ihr auf keinen Fall sagen wollte, denn ich meinte, diesmal sei´s echt. Hatte mit dem Ich-Liebe-Dich Spruch nichts zu tun, der notwendigen, von allen Beteiligten geschätzten Notlüge, ohne die es meist nichts zu bumsen gibt. Aber ich wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen, nicht ausgerechnet jetzt, wo alles schiefgehen konnte.
    “Ich liebe dich”, sagte ich also pflichtschuldigst zwischendurch, und sie legte ihre Hand über meinen Mund. “Ich dich auch”, hauchte sie. So gehört sich´s.
    Der Sonnabend wurde zum Sonntag, ehe wir es merkten. Eigentlich hatten wir noch vorgehabt, etwas Feines zu essen und dann einen langen Strandspaziergang zu machen. Aber um halb drei Uhr nachts war das wohl nicht drin. Oder?
    Wir zogen uns an, schlossen sorgfältig ab und schlichen die Treppe hinunter. Die Haustür war von innen immer zu öffnen – nur von außen nicht. Ich sperrte den Schließbolzen mit einer zusammengefalteten Postkarte, lehnte die Tür an und ging mit Julie in die laue Halbmondnacht.
     
    Wir trieben uns bis zum Sonnenaufgang am Strand herum, spielten Fangen, warfen flache Steine über die Meeresoberfläche, wobei ihre hüpften, meine sofort versanken, wir gingen Hand in Hand bis kurz vor Pismo und wieder zurück. Und wir fühlten uns beide geborgen, wie wir da schlenderten und uns Sachen erzählten, die man sonst seinen Bettgenossen lieber verschweigt. Eine gewisse Behaglichkeit umschmeichelte uns. To be comfortable with each other heißt hier solch selbstverständliche Zweisamkeit, und der Ausdruck Komfort trifft den kuscheligen Kern des Gefühls haargenau. Wir bedauerten, dass die Sonne schon aufging.
     
    Am späten Nachmittag nahmen wir Abschied. Hört sich melodramatisch an, aber es war ein echter Abschied, denn ich wusste nicht, ob wir uns jemals wiedersehen würden. Kein Auf Wiedersehen, sondern ein Adieu für Nichtreligiöse.
    Ich gab ihr noch die Telefonnummern zu meiner Voicemail Box und zeigte ihr, wie einfach es war, eine Nachricht zu hinterlassen oder zu empfangen. So könnten wir wenigstens in Verbindung bleiben. Aber ich sagte ihr auch, dass es für mich vielleicht unmöglich wäre, ihre Nachrichten zu beantworten.
    Was ich ihr nicht sagte, war, dass ich in Baja sein würde, von wo aus die kostenlose US-Telefonnummer nicht direkt anzuwählen war. Ich konnte zwar über meinen Computer die Voicemail abhören und auch beantworten, hatte aber keine Ahnung, in welcher Qualität.
    War auch besser für uns beide, dass sie meine Pläne nicht kannte. Ich sagte ihr nur, dass ich einige Wochen oder gar Monate nicht in der Gegend sein würde. Sie fragte nicht. Das hatte mir schon damals an ihr gefallen. Sie sagt, was ihr auf dem Herzen liegt, aber sie bohrt nicht.
     
    Julie fuhr nach Pismo, ich zog in die entgegengesetzte Richtung. In San Miguel hielt ich, sagte den Jungs im Kloster guten Tag, holte noch mal Klamotten und guten Rat von Ignacio. Der wusste, dass es bald um die Wurst ging.
    “Wir sprachen ja schon letzte Woche darüber, aber ich sag´s noch mal - sobald die verschiedenen Beteiligten ihre Post aufmachen, wollen sie sich nur noch absichern. Die werden also für dich keine Zeit haben. Du kannst dich ab morgen Nachmittag also völlig frei und offen bewegen – wenn du nicht gerade ins Stage Coach marschierst und Hamburger bestellst.” Humor hatte er. Stimmte aber; die würden sich ab morgen Mittag nur noch ums Überleben

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