Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)
anderem als den Gesetzen der Physik abhängen. Eine andere Reaktion auf diese Situation äußert sich hingegen in der Überlegung, dass es einen vollkommen anderen Typus von systematischer Darstellung der Natur geben könnte, eine Darstellung, die diese Tatsachen weder zu rohen Tatsachen macht, die der Erklärung entzogen sind, noch zu Erzeugnissen eines göttlichen Eingreifens. Das jedenfalls ist meine unbegründete intellektuelle Präferenz.
Das Problem mit naturalistischen Theorien ist anders geartet: Anstatt vergewissernd, aber explanatorisch unzureichend zu sein, versuchen materialistische Theorien die Naturordnung intern intelligibel zu machen, indem sie unseren Platz in ihr ohne Bezugnahme auf irgendetwas außerhalb von ihr erklären. Die Erklärungen, die sie vorbringen, sind jedoch nicht ausreichend vergewissernd. Der evolutionistische Naturalismus gibt eine Darstellung unserer Fähigkeiten, die deren Verlässlichkeit untergräbt und auf diesem Wege auch sich selbst unterminiert. Über diese Probleme des Reduktionismus werde ich später noch mehr zu sagen haben; ich möchte sie hier nur kurz skizzieren.
Wenn wir ein naturalistisches Selbstverständnis von außen konstruieren, verlassen wir uns zwangsläufig auf den einen Teil unserer »sinn-verstehenden« Fähigkeiten, um ein System zu schaffen, mit dem der Rest Sinn ergibt. Wir verlassen uns auf die Evolutionstheorie, um alles, angefangen bei unserer logischen und probabilistischen Kognition bis hin zu unserem moralischen Gefühl, zu analysieren und zu bewerten. Darin spiegelt sich unsere Auffassung wider, dass die empirische Wissenschaft dieeine, sichere, privilegierte Form des Verstehens ist und dass wir anderen Formen des Verstehens nur in dem Maße trauen können, wie sie durch eine wissenschaftliche Erklärung, wie und warum sie funktionieren, bestätigt werden können. Das verlangt immer noch ein Zutrauen zu einigen unserer eigenen Fähigkeiten. Doch manche Fähigkeiten werden für vertrauenswürdiger gehalten als andere, und selbst wenn wir keine nichtzirkuläre externe Rechtfertigung für sie haben, müssen wir wenigstens glauben, dass sie durch die vorgeschlagene externe Darstellung ihrer Quellen und Wirkungsweise nicht untergraben werden. Ein Kern kognitiven Vertrauens muss intakt bleiben, selbst wenn manche anderen Vermögen durch ihren evolutionären Stammbaum zweifelhaft werden.
Strukturell gesehen handelt es sich immer noch um das cartesianische Ideal, wobei aber die Hauptrolle von der Evolutionstheorie gespielt wird, anstatt von einer A-priori-Beweisführung göttlichen Wohlwollens. Ich bin allerdings mit Alvin Plantinga einer Meinung, dass die Anwendung der Evolutionstheorie auf das Verständnis unserer eigenen kognitiven Fähigkeiten – anders als das göttliche Wohlwollen – unser Vertrauen in sie untergraben wird, wenngleich es sie nicht vollkommen zerstören muss. [4] Die Mechanismen der Überzeugungsbildung, die im alltäglichen Existenzkampf einen Selektionsvorteil verschaffen, rechtfertigen nicht unser Vertrauen in die Konstruktion theoretischer Erklärungen für die Welt als Ganzes. Ich denke, die evolutionistische Darstellung würde implizieren, dass unsere kognitiven Fähigkeitenzwar verlässlich sein könnten , wir aber nicht in der gleichen Weise Grund dazu haben, ihnen zu vertrauen, wie wir gewöhnlich meinen, Grund dazu zu haben, wenn wir diese Fähigkeiten unmittelbar nutzen – so wie wir es in der Wissenschaft tun. Diese Hypothese erklärt insbesondere nicht, warum wir berechtigt sind, uns auf die kognitiven Fähigkeiten zu verlassen, um andere kognitive Dispositionen zu korrigieren, die uns irreleiten, obwohl sie vielleicht genauso natürlich und ebenso offen für die evolutionistische Erklärung sind. Die evolutionistische Erzählung bringt die Autorität der Vernunft in eine viel schwächere Position. Dies gilt noch eindeutiger für unsere moralischen und anderen normativen Fähigkeiten – auf die wir uns oft verlassen, um unsere Instinkte zu korrigieren. Ich stimme Sharon Street zu, dass uns ein evolutionistisches Selbstverständnis so gut wie sicher abverlangen würde, den moralischen Realismus aufzugeben – die natürliche Überzeugung, wonach unsere moralischen Urteile unabhängig von unseren Überzeugungen richtig oder falsch sind. [5] Der evolutionistische Naturalismus impliziert, dass wir keine unserer Überzeugungen ernst nehmen sollten, auch nicht das wissenschaftliche Weltbild, auf dem der
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