Geister-Dämmerung
sackte zusammen. Das Monstrum fiel auf den Rücken. Sein Gesicht verlor an Farbe, und plötzlich löste es sich in drei verschiedene Schattenteile auf, die der Feuerwand entgegenglitten.
Ich kam noch immer nicht mit und schaute den Schatten nach, die das Feuer fraß.
Weshalb wurden die Monstren vernichtet und nicht ich? Das war normal nicht zu begreifen. Da musste sich schon etwas irgendwo im Hintergrund abspielen, dass es mir als einzigem gelang, in dieser allmählich sterbenden Hölle stehen zu bleiben und zu überleben. Sollte das Kreuz die Verantwortung tragen? Ich hängte es über die Kleidung. Und sofort reagierte es. Es glänzte, leuchtete und vibrierte, als wollte es sich gegen etwas stemmen, und ich fühlte mich besser. Wieder wurde ich aufmerksam, als andere Blitze in die Feuerwand schlugen und sie teilten. Diesmal waren die hellgelben, gezackten Messer breiter gewesen. Dementsprechend zeigten sich auch die Risse, aber sie wuchsen noch immer zusammen.
Wann würde das nicht mehr geschehen? Und was, so fragte ich mich, lag hinter der fast erstarrten Feuerwand?
Schräg neben mir erschien eine Gruppe von Monstren. Sie kamen mir vor wie flüchtende Tiere, wenn die Savanne brannte und sich das Wild vor dem Feuer retten wollte. Sie aber konnten sich nicht retten. Die gehörnten Mutationen rasten auf die Feuerwand zu. Manche auf vier, andere auf sechs Beinen. Dann war es um sie geschehen. Die Wand schluckte sie.
Nicht einmal ihre Schatten sah ich mehr, weil sie sich zu nahe herangewagt hatten.
Hinter mir lagen schaurige Minuten - falls man in dieser Welt überhaupt von Zeit sprechen konnte -, aber ich sah allmählich klarer. Die träge Feuerwand musste der große Zerstörer sein. Sie trug dafür Sorge, dass das Pandämonium, die Heimat furchtbarer Monstren, allmählich zerstört wurde. Denn kein anderer Grund konnte meiner Ansicht nach für die Auflösung sorgen.
Nur ich blieb…
Zudem wurde ich einfach das Gefühl auf mich zukommender Gefahr nicht los. Die Feuerwand schien näher an mich herangerückt zu sein und damit auch die Gefahr, dass es ihr irgendwann gelang, mich ebenfalls zu schlucken oder in Schatten aufzulösen.
Was konnte ich dagegen unternehmen? Sollte ich auf sie zulaufen und mein Kreuz aktivieren?
Das wäre eine Möglichkeit gewesen. Was da genau geschehen würde, stand in den Sternen. Da ich es nicht wusste, schob ich diese Lösung zunächst einmal vor mir her.
Dafür drehte ich mich wieder um, denn etwas war mir aufgefallen. Die Ruhe. Kein Schreien und Heulen mehr. Hinter mir lag die graue Düsternis wie ein in die Unendlichkeit vorstoßender Teppich. Sollten tatsächlich alle Monstren vernichtet worden sein? Um genauer darüber Bescheid zu wissen, drehte ich mich um und ließ meinen Blick so weit über die Schwärze gleiten, wie es mir möglich war. Etwas hatte sich verändert. Aus dem Boden war ein Fels oder eine Gestalt hervorgewachsen. Genau konnte ich es nicht erkennen, ich musste näher heran, und meine Schritte setzte ich zögernd. Ja, das war ein Felsen und gleichzeitig auch eine Gestalt, die gebückt und mit übereinandergeschlagenen Beinen auf der pyramidenförmigen Spitze hockte und die Hände auf das obere Knie gelegt hatte.
Ich wunderte mich fast wie die kleine Alice, als sie zum erstenmal das Märchenland betreten hatte.
Es war kein Monstrum, das auf dem Felsen seinen Platz gefunden hatte, sondern ein Mensch. Er saß gebeugt. Obwohl kaum Licht vorhanden war, konnte ich seine langen Haare erkennen und auch seinen Bart. Nur gelang es mir nicht, in das Gesicht zu schauen, es war mir abgewendet. Der Mann saß dort wie ein Denker. Er schaute in die düstere Schattenwelt des Pandämoniums hinein und kam mir vor, als wäre er ein Retter für mich. Oder ein Mann, der über das Schicksal der untergehenden Welt des Pandämoniums nachdachte und vielleicht als einziger die Geisterdämmerung überlebte.
Seltsam - weshalb kamen mir diese Gedanken? Sie hatten überhaupt nichts mit den zurückliegenden Vorgängen zu tun. Wenigstens nicht unmittelbar. Trotzdem musste ich daran denken und konnte mich auch nicht dagegen wehren. Obwohl mir der Mann fast den Rücken zuwandte, hatte ich das Gefühl, als behielte er mich unter Kontrolle. Er saß regungslos da, so dass ich mich fragte, ob überhaupt Leben in ihm steckte. Neugierig, wie ich war, wollte ich es genau wissen. Zwei Schritte ging ich in die Schattenwelt hinein. Dann stoppte mich auch schon die Stimme des geheimnisvollen Mannes.
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