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Geister-Dämmerung

Geister-Dämmerung

Titel: Geister-Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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nicht enden wollender Vorhang.
    Die Flammen, aus denen sich die Wand gebildet hatte, mussten unter irgendeiner Kontrolle stehen. Sie bewegten sich zwar, dies aber geschah nur zeitlupenhaft, und ihre glutroten Spitzen verschwanden über mir in der roten Unendlichkeit. Dazwischen zuckten die hellgelben Blitze wie krumme Messer in den Flammenvorhang hinein, ohne ihn jedoch völlig zerstören zu können, denn wenn er an gewissen Stellen für einen Moment aufriss, wuchs er auch ebenso schnell wieder zusammen. Auf die Blitze konnte ich also nicht hoffen. Möglicherweise trugen sie auch zu einem schnelleren Untergang dieser kaum zu begreifenden Welt mit bei.
    Gab es noch etwas anderes als diese Flammen?
    Ich drehte mich um. Bei meiner ersten taumelnden Bewegung hatte ich die Augen geschlossen gehabt, jetzt schaute ich in die den Flammen gegenüberliegende Richtung und sah in eine kalte, trostlose, dunkle Leere hinein.
    So weit meine Vorstellungskraft reichte, breitete sie sich vor mir aus. Da gab es keinen Himmel und keine Grenzen, auch keinen Horizont. Er war die Leere, die graue Schwärze, von mir aus gesehen völlig flach, was nichts zu bedeuten brauchte, denn die Dunkelheit würde eigentlich alles verdecken.
    Das Feuer war interessanter, deshalb schaute ich wieder auf die große gelbrote, sich träge bewegende und von dünnen Blitzen gespaltene Wand.
    Abermals dachte ich an die Zeichnungen des damals in Soho ausstellenden Malers und suchte eigentlich die Geschöpfe und Monster, die er ebenfalls gesehen hatte. Vergeblich.
    Gab es sie vielleicht nicht mehr? Hatte die Geisterdämmerung schon dafür gesorgt, dass sie nicht mehr existierten? Waren sie vielleicht als erste an die Reihe gekommen?
    Meine Gedanken wurden unterbrochen, als ich hinter mir ein schreckliches Heulen vernahm. Ich drehte mich um, zog die Beretta und bekam eine Gänsehaut, als aus dem Grau der Finsternis etwas Korpulentes, Unheimliches hervorschoss und sich mir näherte. Es war ein gewaltiger Fisch mit einem aufgeblähten Kopf, zwei riesigen Maulhälften, die weit aufgerissen waren, so dass ich die Zahnreihen erkennen konnte, die Ähnlichkeit mit denen eines Barracudas aufwiesen. Ich zielte schon auf das Maul, als der Fisch sich vor meinen Augen auflöste und als Schattenfetzen an mir vorbeiwischte. Ich hatte keine Zeit, mich von der Überraschung zu erholen, denn schon folgte das nächste Monstrum.
    Ein Mensch!
    Im ersten Augenblick sah es tatsächlich so aus. Es bewegte sich auf zwei Beinen voran, besaß einen runden Leib, aus dem kleine Totenköpfe wuchsen, deren Mäuler sich bewegten, weil sie Worte hervorstoßen wollten.
    Ich hörte sie. Es war wie ein Gruß aus der Unendlichkeit, als mir das eine Wort entgegenwehte und eigentlich alles zusammenfasste, was in dieser schrecklichen Dimension geschah.
    »Geisterdämmerung…«
    Dann zerplatzte das Wesen zu Schattenteilen, die als huschendes Etwas auf die Feuerwand zurasten und von ihr gierig verschluckt wurden. Ich hatte das bewusste Wort gehört und auch die Folgen gesehen. War dies symptomatisch für diese Welt?
    Davon musste ich einfach ausgehen. Man hatte mir von der Geisterdämmerung berichtet, und jetzt bekam ich den Anfang vom Ende in der Praxis mit. Ich hatte die Gestalten gesehen, und ich hatte erlebt, wie sie starben. Dahingerafft wurden sie von Kräften, die ich selbst auch nicht begreifen konnte.
    Es blieb in der Schwärze nicht ruhig. Schauriges Heulen, vermischt mit einem hohen, von Todesängsten gefüllten Kreischen wehte mir entgegen. Manchmal sah ich auch die Bewegungen im unheilvollen Grau. Es waren die Monstren, die sich zum letzten Mal aufbäumten, bevor der Bann des Todes sie traf und radikal vernichtete. Nur wenige schafften es, in die Helligkeit des Flammenvorhangs zu gelangen und damit die Grenze zu erreichen, auf der ich stand und regungslos in die Schwärze starrte.
    Fast hätte ich die Gestalt übersehen, weil sie über den Boden kroch und plötzlich meine Beine umklammerte. Ich zuckte zusammen, schaute nach unten und sah eine Frau. Sie besaß zwei verschiedene Gesichtshälften. Die eine feuerrot, die andere giftgrün. Auf ihr wuchsen Schuppen. Und aus dem Maul, als Mund konnte man es nicht bezeichnen, hing wie ein gekrümmter Wasserschlauch eine graue Zunge so weit hervor, dass sie mit ihrem Ende den Boden berührte und dort um sich schlug.
    Die Gestalt besaß keine Hände, sondern Krallen, die sich im Stoff meiner Hose festhakten und dort ihre Kraft verloren. Die Gestalt

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