Geisterbahn
vorbeischießen würde, gab sie einen weiteren Schuß in das Gesicht des Geschöpfs ab.
Erneut wurde der Freak zurückgeschleudert. Diesmal stürzte er hart gegen die schwere Hauptantriebskette, welche die Gondeln über ihnen bewegte. Die scharfzahnige Kette verfing sich in seiner Kleidung, riß ihn von den Füßen und zerrte ihn den Gang entlang, fort von Amy und Joey. Das Geschöpf schrie und trat um sich, konnte sich aber nicht befreien. Seine Hosenbeine zerrissen, als sie über den Boden gezogen wurden, und dann wurde seine Haut mit ähnlicher Gewalt abgeschält. Seine linke Hand verfing sich einen Augenblick lang dort, wo die Kette zuerst unter und dann über eine Stahltrommel geführt wurde; zwei oder drei Sekunden lang klemmte der Mechanismus, aber dann zerrten die starken Motoren die Kette wieder in Bewegung; als die Hand des Freaks das große Getriebe wieder verließ, war sie blutüberströmt, und es fehlten ein paar Finger. Jetzt wurde das Ungetüm wieder in Richtung von Amy und Joey gezerrt. Es wehrte sich nicht mehr gegen die Kette, hatte keine Kraft mehr, um Widerstand zu leisten; das Wesen heulte nur noch vor Schmerz, zuckte. Doch als es an ihnen vorbei glitt, griff es nach Amys Knöchel. Als es den nicht festhalten konnte, schlug es seine Krallen durch den Stoff von Joeys Hosenbein. Der Junge schrie auf und stürzte und glitt dem Freak hinterher. Doch Amy reagierte sofort: Sie ergriff Joey und hielt ihn fest. Einen Augenblick lang erstarrte die Kette wieder, und der Freak bewegte sich nicht mehr, und sie strengten sich in einem makabren Tauziehen an, doch dann brach eine der Klauen des Dings ab, und Joeys Hose wurde zerrissen, und die Kette setzte sich scheppernd wieder in Bewegung, und der Freak wurde davongetragen. Er wurde wie eine Puppe hin und her geschleudert, bis er schließlich in dem großen Zahnrad steckenblieb, wo die daumengroßen Zähne des Getriebes sich fast durch den gesamten Hals gruben, bis sie schließlich wieder erstarrten.
Der Freak lag reglos und schlaff da.
Amy ließ die Pistole fallen, die sie dem Ausrufer abgenommen hatte.
Joey starrte sie mit großen Augen und schockiert an.
»Hab keine Angst«, sagte sie.
Er lief in ihre Arme und drückte sich an sie.
Trotz des Bluts und des Entsetzens um sie herum in Freude getaucht, vor der erhebenden Freude des Lebens überfließend, wurde Amy klar, daß der Ausrufer sich geirrt hatte, als er gesagt hatte, Gott könne ihr nicht helfen.
Gott hatte ihr geholfen - Gott oder irgendeine universelle Macht, die manchmal unter dem Namen Gott bekannt war. Er war jetzt bei ihr. Sie fühlte ihn an ihrer Seite. Aber er war gar nicht so, wie die arme Mama es immer behauptete. Er war kein rachsüchtiger Gott mit einer Million Regeln und harten Strafen. Er war einfach ... Freundlichkeit und Sanftmütigkeit und Liebe. Er war Mitgefühl.
Und dann verging dieser ganz besondere Augenblick, die Aura der Gegenwart dieser höheren Macht verblich, und Amy seufzte. Sie hob Joey hoch und trug ihn aus der Geisterbahn.
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E N D E
Nachwor t
Im Jahr 1980, als meine Bücher noch nicht auf den Bestsellerlisten aufgetaucht waren, bot der Verlag Jove Books mir an, die Romanfassung eines Drehbuchs von Larry Block zu schreiben (nicht der Lawrence Block, der die wunderbaren Privatdetektivromane um Matthew Scudder und andere ausgezeichnete Spannungsliteratur schreibt, sondern ein anderer Larry Block, der sich auf Drehbücher spezialisiert hatte), das von Tobe Hooper verfilmt wurde, dem jungen Regisseur, der sich durch einen mit kleinem Budget gedrehten Horrorfilm, Blutgericht in Texas (The Texas Chain Saw Massacre), einen Namen gemacht hatte. Ich war schon immer der Ansicht gewesen, die Umwandlung eines Drehbuchs in einen echten Roman sei interessant und anspruchsvoll, und nahm die Herausforderung also gern an. Um ehrlich zu sein, auch finanzielle Gründe spielten eine Rolle: Das Honorar war viel großzügiger als das, was ich für meine eigenen Romane bekam. Als ich den Vertrag unterschrieb, Geisterbahn (The Funhouse) zu schreiben, betrug die Inflationsrate 18 Prozent, und die Zinsen lagen bei über 20 Prozent, und es hatte den Anschein, daß der totale wirtschaftliche Zusammenbruch unmittelbar bevorstand. Ich erhielt zwar nicht gerade Peanuts für meine eigenen Romane, wie es viele Jahre lang der Fall gewesen war, sondern hatte mich mittlerweile zu Cashew-Nüssen hochgearbeitet; doch angesichts der wirtschaftlichen Lage stellte das
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