Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geisterbucht

Geisterbucht

Titel: Geisterbucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
Vom Netzwerk:
jemand anderes? Gerrys Beschreibung war schließlich reichlich dürftig gewesen.
    Aber sie nannte nur ungerührt einen weiteren Namen.
    »Moby Dick.«
    »So heißt der weiße Wal in einem Buch von Herman Melville.«
    »Ahab.«
    »Der Kapitän, der den Wal gejagt hat.«
    »Ismael.«
    »Das habe ich Ihnen doch gerade schon – oh! Sie meinen, wegen dem Buch? Ismael ist der Erzähler der Geschichte, aber es ist wohl nicht sein richtiger Name. Und am Schluss ist er der einzige Überlebende, glaube ich.«
    »Madhu.«
    Bob zögerte. »Das ist … ein Polizist. Sergeant Madhu. Er gehört zum Polizeirevier Waterside.«
    »Und?«
    »Er hat uns den Text auf der Rückseite eines Fotos übersetzt.«
    »Wie lautet der Text?«
    » Rashura vergibt nicht .«
    Es gab eine längere Pause.
    »Ich frage mich, was du damit bezweckst«, sagte die Frau endlich seidenweich.
    »W-wie bitte?«
    »Ich dachte, ich hätte dir klargemacht, dass ich mich nicht anlügen lasse.«
    »Was? Aber ich habe nicht gelogen! Wir haben bei der Polizei angerufen, und Sergeant Madhu hat uns den Text so übersetzt! Glauben Sie mir doch!«
    »Was sagt dir das Wort Kerala?«
    Nahm diese Fragerei nie ein Ende? »Gar nichts. Wer ist das?«
    »Anudhara?«
    »Auch nichts.«
    »Rashura?«
    »Das – das sind Sie, oder? Irgendeine Organisation. Die hinter dem her ist, was Mr Shreber versteckt hat.«
    »Ismael«, sagte die Frau.
    Bob schwieg. Er hatte ihr alles gesagt, was er wusste – oder? War da nicht doch noch irgendetwas?
    »Ismael.«
    »Mehr weiß ich nicht.«
    »Dann hör mir jetzt gut zu«, sagte die kühle Frauenstimme. »Du wirst diesen Ismael finden und an einen Ort bringen, den ich dir noch nennen werde. Du hast drei Tage Zeit.«
    Bob traute seinen Ohren nicht. »Sie – Sie lassen mich gehen?«
    »Ja. Und um sicherzustellen, dass du mich nicht im Stich lässt, gehen wir einen Handel ein.« Ohne Vorwarnung stach ihn etwas schmerzhaft in den Arm und er schrie unwillkürlich auf. »Au! Was war das?«
    »Das war ein Mittel, um dich zur Zusammenarbeit zu bewegen«, sagte die Frau ganz ruhig. »Es wirkt langsam, aber zuverlässig. Heute ist Sonntag. Wenn du am Dienstag zurückkommst, gebe ich dir ein Gegenmittel, und du bleibst am Leben.«
    Bob wurde es schlecht vor Entsetzen. »Gift? Sie haben mir –«
    Ohne ihn zu beachten, klopfte die Frau wieder gegen die Tür. Der Mann kam herunter, und sie befahl: »Bring den Jungen an Land.«
    »Aye. Allerdings –«
    »Warten Sie!«, schrie Bob. »Das können Sie nicht machen! Was passiert, wenn ich ihn nicht rechtzeitig finde?«
    »Gib dir Mühe, ihn zu finden. Und geh nicht zur Polizei. Niemand außer mir kann dir das Gegenmittel geben.«
    »Madam«, warf der Mann ein. »Es gibt schlechte Neuigkeiten. Taylor hat gerade angerufen. Jemand hat Sapchevskys Haus abgefackelt und da waren wohl irgendwelche Kinder drin.«
    »Kinder?«, fragte sie scharf. »Was für Kinder?«
    Bob hörte die Antwort nicht. Ihm wurde schlecht, das Blut dröhnte ihm in den Ohren und er hatte plötzlich das Gefühl, gleich umzukippen. Als sein Kopf sich wieder klärte, hörte er die Frau sagen: »Verflucht! Bring den Jungen an Land – wir verschwinden!«
    Der Mann packte Bob und warf ihn sich wie einen Mehlsack über die Schulter. Er trug ihn eine schmale Treppe hinauf, legte ihn in ein kleines Beiboot und ließ es ins Wasser hinunter, dann kletterte er selbst hinein. Er ließ einen Außenbordmotor an und das Boot schoss vorwärts.
    Bob ließ alles mit sich geschehen, betäubt vom Schock. Nach kurzer Zeit knirschte das Boot über Sand. Der Mann holte Bob heraus und lockerte ihm die Fesseln. Gleich darauf war er weg und Bob hörte, wie sich das Motorengeräusch rasch entfernte.
    Er setzte sich auf. Es dauerte eine Weile, bis seine zitternden Hände die Fesseln gelöst hatten, und dann riss er die Augenbinde herunter. Zuerst sah er nichts, weil ihn die tief stehende Sonne blendete. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er sich um und allmählich gewöhnte er sich an das Licht. Er befand sich an einem einsamen Sandstrand, der von einem lang gezogenen Berghang begrenzt wurde. Kein Mensch war zu sehen. Auf dem Meer schaukelte in hundert Metern Entfernung eine weiße Jacht, die abdrehte, sich rasch entfernte und im flimmernden Sonnenlicht verschwand.
    Er stand auf und stellte fest, dass auch seine Beine zitterten … kein Wunder. Gift! Diese Leute hatten ihn vergiftet! Und die Frau hatte nicht gesagt, wohin er Ismael bringen sollte, wenn er ihn

Weitere Kostenlose Bücher