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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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toten Fischen und ausgetrocknetem Tang mit sich. Jenseits des Zaunes schwankten und raschelten die Baumkronen, ein angenehmer Klang in ihren Ohren, nachdem sie so lange in einem kleinen Schiff eingeschlossen gewesen war, ebenso wie das ferne Tosen der Brandung und das Tanzen von grobem Sand auf dem Landefeld.
    In der fensterlosen Front des Turmes öffnete sich eine hohe, schmale Tür, eher wie ein Münzenschlitz. Vier Personen traten heraus, jeweils zwei nebeneinander, hielten unmittelbar jenseits der Schwelle an und blieben abwartend stehen.
    Tamris
    „Also - es geht los”, flüsterte Aleytys. Das ist jetzt das zweite Mal, dachte Tamris. Sie beobachtete, wie Aleytys die Schultern straffte und mit ihren langen, schmalen Händen die Hüften entlangfuhr. Nervös, dachte Tamris. Komisch, sich vorzustellen, daß sie genauso nervös ist wie ich; als wäre dies ihr erster Einsatz. Aleytys zwinkerte ihr zu, Belustigung und Verstehen im Blick. Tamris schaute weg, sah zu den vier Personen hin, die auf sie warteten. Noch ein paar Schritte, und Aleytys blieb stehen. Tamris stand einen Schritt hinter ihr und genügend weit seitlich, daß ihre Gürtelschnalle mit dem Aufzeichnungsgerät die Szenerie voll überblicken konnte.
    Zwei der vier Personen vor der Münzenschlitz-Tür setzten sich nach einem letzten merklichen Zögern in Bewegung. „Direktorin”, murmelte Tamris. „Ti Ganryn Intaril.” Eine hochaufgeschossene, schlanke Frau, lange, glatte, schwarze Haare, locker um einen hübsch geformten Kopf gewunden. Tamris war überrascht gewesen, als sie die Aufzeichnungen das erste Mal gesehen und festgestellt hatte, daß die Direktorin nicht einmal hübsch war, aber dann war ihr klargeworden: Es war ein Fingerzeig auf ihre Tüchtigkeit, deshalb hatte sie es niemals für nötig befunden, ihre Individualität durch eine Bioskulptur aufzugeben, deshalb war sie niemals gezwungen gewesen, die krumme, lange Nase korrigieren zu lassen, den zu breiten Mund, den ausgeprägten Unterkiefer und die hohlen Wangen.
    Ihre Augen waren langgezogen und dunkel, voller Vitalität, Neugier und vorantreibender Energie und Intelligenz, die zu verbergen sie sich nicht die Mühe machte. Ihr Knochenbau wies eine natürliche Eleganz auf, und dementsprechend kleidete sie sich, indem sie einen nüchternen, schlichten Einteiler trug, schwarz, mit einem Hauch von Weiß an Hals und Handgelenken. Ihr Gesicht wirkte häßlich, solange es unbewegt blieb, doch sobald sie ihr willkommen heißendes Lächeln aufblitzen ließ, änderte sich dies nahezu magisch.
    Sie ging, auf Aleytys zu und streckte ihr eine ziemlich knochige Hand entgegen. „Willkommen auf Cazarit, Jägerin”, sagte sie.
    „Obgleich ich wünschen könnte, dies möchten für Sie allein Ferien werden, könnte es doch auf genau das hinauslaufen, wenn Dama Fortuna dies will.” Ihre weiche Stimme war voller Wärme, eine Begrüßung, die Tamris echt erschien, weit mehr als die polierte Plastikbegrüßung der Pilotin. Dies erwärmte sie trotz ihrer Wachsamkeit, obgleich sie sowohl ihre eigenen Reaktionen wie auch Intarils Handlungen kritisch beobachtete, sie an Haupt maß und daraufhin zögernd zu dem Schluß kam, daß diese Frau als Verbündete und als Gegnerin ernst zu nehmen war. Tamris berührte den schwarzen Kasten an ihrem Gürtel, wie ein Kämpfer einen magischen Talisman berührte, bevor er in die Schlacht zog, und war gleich darauf wegen der verräterischen Geste wütend auf sich - sie bemerkte, wie die schwarzen Augen ihre Bewegung registrierten und einordneten.
    Aleytys berührte kurz und formell die Hand, die ihr gereicht wurde. „Meine Kollegin und ich danken für die Höflichkeit des Empfangs. Die Reise war - wie Sie wissen - lang und eintönig … wie alle derartigen Reisen in einem kleinen Schiff.” Ihre Stimme enthielt eine unpersönliche Freundlichkeit, die die Begrüßung der Direktorin weder annahm noch zurückwies. „Dennoch werden wir TOR so bald wie möglich inspizieren müssen. Ich kann nicht allein aufgrund von Berichten arbeiten, ich muß Ihre Sicherheitsvorkehrungen selbst überprüfen. Auch die drei Tatorte der Entführungen werden wir so eingehend wie möglich überprüfen müssen, wiederum so bald wie möglich. Werden Sie das arrangieren?”
    „Natürlich.” Intaril wirkte belustigt. „Aber nicht mehr heute, denke ich. Gewiß werden Sie sich doch erst in Ihrem Quartier einrichten wollen.” Sie machte eine anmutige Geste, die eine Art klägliche Entschuldigung

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