Geisterschiff (German Edition)
diese Empfindungen hatte. Er konnte nicht im Besitz der Technik der Materieabbilder sein, mit deren Hilfe man in praktisch jeder Umgebung einen Avatar erzeugen konnte. Diese Technik hatte es vor dreihundert Jahren noch nicht gegeben, außerdem war sie von den Loratenern erfunden worden, einer Spezies, die so gut wie ausgestorben war.
Trixi war zwar neugierig, was für eine Technik hinter diesen Empfindungen stand, andererseits war es auch egal. Sie genoss die Situation. Garjomus war nett. Das waren natürlich die meisten Leute, die sie in ihrem neuen Leben getroffen hatte. Aber Garjomus hatte ihren Freunden etwas voraus. Keiner der Menschen, die sie seit ihrer Flucht aus dem Imperium kennengelernt hatte, hatte etwas Ähnliches wie sie erlebt. Keiner dieser lieben netten Menschen war mehr als fünfzehn Jahre lang wie ein Roboter gehalten worden. Niemand von ihnen war bis an den Rand der Selbstaufgabe gequält worden, nur weil er gewagt hatte, wie ein Mensch zu denken. Keiner von ihnen kannte das Gefühl, gefoltert zu werden, nur weil man ein ganz winziges bisschen Freiheit beanspruchte, weil man nur ein ganz kleinwenig eigenen Willen besaß und sei er auch noch so gering.
Ihre Freunde waren nett. Sie behandelten sie manchmal wie ein rohes Ei. Sie wollten die Dinge wieder gut machen, die ihr widerfahren waren. Aber das war nicht, wonach sie sich manchmal so schmerzlich sehnte. Sie wollte einfach nur verstanden werden. Die anderen konnten es nicht nachvollziehen, dass sie nicht wusste, wer sie war. Ihre Freunde sagten ihr immer wieder, dass sie ein Mensch sei. Sie hatten es ihr sogar bewiesen, indem sie alle möglichen Tests mit ihr angestellt hatten. Lars konnte richtig böse werden, wenn er nur das Gefühl hatte, dass sie etwas anderes fühlen könnte. Aber genau das war das Problem. Natürlich wusste sie, dass sie ein Mensch war, aber manchmal fühlte sie es nicht. Manchmal fühlte sie sich wie ein Wesen, das irgendwo dazwischen stand.
Und jetzt hatte sie Garjomus getroffen. Bei ihm war es absolut eindeutig. Er war ein Roboter gewesen. Man hatte ihn als biologische Maschine konstruiert. Dann war etwas passiert. Irgendetwas hatte ihn verändert. Er konnte denken, fühlen. Er konnte eigene Entscheidungen treffen. Er hatte einen eigenen Willen. Kurz, nach den Definitionen, die im bekannten Teil der Galaxie galten, war er jetzt ein Mensch.
Genau das war es, was sie beide verband. Garjomus war genauso wie sie eine Maschine, die plötzlich die gleichen Freiheiten wie ein Mensch besaß. Trixi meinte nicht, dass man ihr oder ihm diese Freiheit zugestand, sondern dass sie beide tatsächlich die Freiheiten für sich selbst besaßen. Dass sie plötzlich in der Lage waren, sie wahrzunehmen. Etwas, über das sie in ihrem Leben davor noch nicht einmal nachgedacht hatten. Genau das war es, was ihn mit ihr verband.
Sie sah ihm liebevoll in die Augen und erwiderte das zärtliche Streicheln seiner Hand. Sie beide verband etwas, das viel tiefer ging, als alle Freundschaft, die sie zu den anderen empfand. Ja, ihre Empfindungen Garjomus gegenüber waren sogar noch tiefer als zu Lars. Trixi wusste, dass sie diese Gefühle nicht haben durfte. Wenn Lars doch wenigstens ein Imperianer gewesen wäre, dann hätte sie jetzt nicht so ein schlechtes Gewissen haben müssen. Dann wäre es für ihn selbstverständlich gewesen, dass er nicht der Einzige war, den sie lieb hatte. Aber sie hatte ihm versprochen, dass sie wie eine Terranerin mit ihm zusammen sein würde.
Und nun saß sie hier mit Garjomus in diesem Raum. Sie hatte ihm ihre Geschichte erzählt. Wie sie damals in diesem Keller als angeblicher Roboter gefangen gehalten, gequält und ausgenutzt worden war. Sie hatte ihm erzählt, wie ihre heutigen Freunde sie damals befreit hatten und wie sie zu einem Menschen erklärt worden war. Sie hatte ihm von ihrem heutigen Leben erzählt, dass sie jetzt ein vollwertiges Mitglied der Rebellen war und zur Mannschaft der ›Taube‹ gehörte. Alles, was sie anging, war gesagt. Nun saß sie ihm stumm gegenüber und hatte dieses Gefühl, das schon fast wehtat.
» Hab ich dir wehgetan? Du siehst so traurig aus. Du hast Tränen in den Augen. Das wollte ich nicht«, sagte Garjomus.
» Das hat nichts mit dir zu tun, sondern nur mit mir«, erwiderte Trixi, obwohl das nur die halbe Wahrheit war.
» Ich wollte nie Menschen verletzen, auch wenn es Situationen gab, in denen ich das musste«, sagte Garjomus traurig.
» Du hast mir nicht wehgetan.« Trixi
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