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Geisterstadt

Geisterstadt

Titel: Geisterstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer
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»Wir haben mit Ihnen zu reden. Und Sie werden uns zuhören.«
    »Ihr?«, sagte Henry vollkommen entgeistert. »Ihr habt meinen Vater in eurer Gewalt?«
    »Auf diese Frage müssten Sie die Antwort doch selber wissen«, konterte Bob, der sich sofort von Justus’ selbstsicherem Auftreten hatte anstecken lassen. »Außerdem sind wir nicht hier, um am lebenden Objekt ein neues Spiel auszuprobieren. Sondern jetzt werden Ihre Machenschaften aufgedeckt.«
    »Machenschaften? Was soll das heißen?« Oames’ Blick flackerte. Dann sah er von den Jungs zu den beiden Frauen.
    Silvie war bisher auffallend ruhig geblieben. Sie erinnerte Justus an ein Raubtier, das kurz davor war, seine Beute anzuspringen. Vorsichtshalber rückte er etwas näher zu Bob. »Sie setzen das Leben Ihres Vaters aufs Spiel, um Geld aus dem Firmenkapital für Ihr aufwendiges Leben abzuzweigen«, sagte er mit schneidender Stimme. »Sie haben längst gewusst, wo sich Ihr Vater befindet. Trotzdem haben Sie der Polizei den besorgten Sohn vorgespielt.«
    »Und die Sache mit dem Kellerraum«, setzte Bob fort, »läuft vor Gericht schlicht und einfach auf Freiheitsberaubung hinaus. In fünf Fällen.«
    »Was?« Henry riss die Augen auf. Angst stand in seinem Gesicht. »Wovon redet ihr überhaupt?«
    »Spielen Sie hier nicht den Unschuldigen«, fuhr Bob ihn an. »Das nützt Ihnen nichts mehr. Ihr Spiel ist aus.«
    Einen Augenblick zu lange hatten sich Justus und Bob auf Henry konzentriert. Mit zwei schnellen Schritten war Silvie zwischen ihnen. Sie riss ihrem Bruder die blaue Plastiktasche aus der Hand und stieß Bob mit aller Kraft zur Seite. Er taumelte, streckte im Fallen den Arm nach der jungen Frau aus und bekam sie an der Jacke zu fassen. Wuchtig holte sie aus und traf mit der Geldtasche seinen Kopf, so dass er vollends zu Boden ging und Justus mitriss. Im nächsten Augenblick sprang Silvie die Treppe hinunter.
    Mühsam rappelten sich Justus und Bob wieder hoch. Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Oames’ Schwiegertochter den Kopf senkte und auf sie losrannte. Aber ein zweites Mal ließ Bob sich nicht überrumpeln. Er fasste blitzschnell zu und packte die Frau am Arm. »Du tust mir weh«, rief sie und versuchte sich fallen zu lassen.
    Justus, der die ganze Zeit über den vollkommen regungslosen Henry nicht aus den Augen gelassen hatte, machte ein paar Schritte auf die Frau zu. »Hören Sie auf!«, schrie er sie an. »Das hat doch keinen Sinn!«
    Die Antwort war ein gellender Schrei.
    »Du sollst aufhören!«, rief plötzlich eine Stimme. Und im nächsten Augenblick herrschte völlige Stille.
    Hinter Bobs Rücken kam Michael Julius Oames die Treppe herauf. Wortlos betrat er die Plattform. Jetzt kam wieder Leben in Henry. Er starrte seinen Vater mit fahlem Gesicht an, den Arm angewinkelt, als hielte er noch immer die Geldtasche. »Das alles hat Silvie eingefädelt«, hauchte er. Dann ließ er den Arm wie eine Marionette fallen.
    »Verräter!«, schrie seine Frau und schlug mit der freien Hand auf die steinerne Brüstung ein. »Du mieser kleiner Verräter!« Ihre blinde Wut ließ sie den Schmerz offenbar nicht spüren. An ihrer Hand zeigten sich blutige Schrammen.
    Justus konnte seine Verblüffung nicht verbergen. »Silvie? Ist das Ihr Ernst?« Ratlos sah er erst zu Oames, dann zu Bob. Dessen Gesichtsausdruck ließ erkennen, wie peinlich ihm diese Art Familientreffen war. »Hören Sie«, sagte er zu Henrys Frau und fing in der Luft ihre Hand auf. »Jetzt ist Schluss damit.« Sie stutzte. »Wenn Sie versprechen, nicht zu türmen, lasse ich los«, sagte er sanft.
    Henry Oames kam zwei Schritte auf sie zu. »Silvie hat in Las Vegas ihr Geld verspielt«, sagte er leise. »Als sie erfuhr, dass Vater entführt worden war, witterte sie eine Chance, an viel Geld zu kommen.« Er pflanzte sich vor seiner Frau auf, die mit glasigen Augen in die Landschaft starrte. »Gemeinsam hätten wir sie vielleicht davon abbringen können. Aber du musstest dich ja unbedingt auf ihre Seite stellen.« Er hob den Arm, als wollte er ihr übers Haar streichen. Aber dann ließ er ihn wieder fallen, mit derselben puppenhaften Bewegung wie zuvor. »Ihr seid beide krank«, sagte er leise, »richtig krank seid ihr.«
    »Alle Welt denkt, Ihre Familie sei so reich, dass Sie gar nicht wissen, wohin mit dem vielen Geld.« Bob schluckte. Er ließ Mrs Oames nicht aus den Augen.
    »Reich, reich, reich!« Ihre Stimme überschlug sich wieder. »Du bist ein Schwächling! Wolltest immer nur so werden

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