Geisterstadt
Peters Feldstecher aus dem Handschuhfach, sie zogen ihre dicken Jacken an und marschierten los.
Die Schneewolken hatten sich verzogen, stattdessen stand die Sonne am blitzblauen Himmel. Ihre Strahlen zogen helle Streifen zwischen den vielen Nadelbäumen, die ihren Weg nach oben säumten. In kleinen Rinnsalen floss Schmelzwasser Richtung See.
Zügig gingen sie den schmalen Schlangenweg durch den Wald hinauf. Oames hatte ihn selbst angelegt und war sicher, dass ihn niemand sonst kannte. An einem Futtertrog gab es, verdeckt durch zwei Büsche, eine Abzweigung zu dem Wanderweg, der von der Villa heraufführte. Auf einer Lichtung stießen sie, genau wie es der Spieleverleger beschrieben hatte, auf einen Hochsitz. Wortlos kletterten sie die Holzleiter hinauf. Nicht nur das Haus, auch der Weg durch den Wald war von dieser Stelle aus immer wieder einzusehen.
Justus sah auf die Uhr. »Zwanzig vor.« Er spürte ein Kribbeln im Magen, das nichts mit Hunger zu tun hatte, sondern ihn öfter befiel, wenn ein Fall kurz vor der Auflösung stand.
»Und wenn wir uns irren?«, fragte Bob.
»Wir irren uns nicht«, widersprach Justus bestimmt. »Gleich wird da unten eine Prozession starten.«
Tatsächlich öffnete sich genau fünf Minuten später die Eingangstür, und Henry, seine Frau und seine Schwester kamen heraus.
Bob richtete sein Fernglas auf die Szenerie. »Ich glaub’, die sind ganz schön aufgeregt«, berichtete er, »jedenfalls Henry.«
»Wenn wir vor ihnen oben sein wollen, müssen wir langsam los«, meinte Justus, stand auf und ging zur Leiter.
Bob hielt ihn fest. »Vielleicht wäre es besser, wir lassen der feinen Gesellschaft den Vortritt.«
Justus runzelte die Stirn. Er konnte die Vorteile nicht auf Anhieb erkennen, die Nachteile schon. »Damit die dann da oben auf der Plattform stehen und uns auf dem Präsentierteller in Empfang nehmen können?«, sagte er etwas spitz.
»Wir nehmen Oames’ Schlangenweg«, beharrte Bob auf seinem Vorschlag. »So können wir sie im Vorbeigehen belauschen.«
Justus gab nach. Er war keineswegs von dieser Idee überzeugt. Was sollte es da schon zu hören geben? Obendrein schauderte ihm bei dem Gedanken, den steilen Geheimpfad hinaufzuhetzen, um nicht zu spät oben anzukommen. Aber das musste er Bob ja nicht auf die Nase binden.
Sammy verblüffte Peter nicht nur durch ihren souveränen Fahrstil. Gleich nachdem sie auf dem Airfield angekommen waren, drückte sie ihm einen Mechanikeroverall in die Hand.
»Damit du nicht sofort auffällst«, sagte sie, und der Zweite Detektiv fragte sich, ob sie einfach schnell von Begriff war oder nur zu viele Fernsehkrimis gesehen hatte.
»Ihr seid doch jemandem auf den Fersen«, fuhr sie fort, und es hörte sich mehr wie eine Feststellung denn als eine Frage an. »Es hat sich bis Baldwin Beach herumgesprochen, dass die Polizei in der Villa ein- und ausgeht.«
Spontan entschied der Zweite Detektiv, das Mädchen einzuweihen. In knappen Sätzen erzählte er ihr von der Entführung samt Familienintrige. Sein Entschluss wurde sofort belohnt.
»Ich kenne den Mann mit dem S-Fehler«, sagte Sammy in aufreizend selbstverständlichem Tonfall. »Der war gestern nach neun Uhr abends hier. Mit einem Mr Greenway, oder so ähnlich.«
»Wie bitte?« Peter zog erstaunt die Augenbrauen hoch.
»Sie haben sich mit diesem neuen Techniker getroffen. Du weißt schon, der, der keiner ist!«
Peter kratzte sich am Kopf. Spielte der Anwalt ein doppeltes Spiel? Immerhin war es ihm möglich, auch vor der Scheinübergabe an die 2,5 Millionen Dollar zu kommen.
»Ist der Techniker jetzt hier?«, fragte er etwas gequält. Die rasante Motorradfahrt durch die sonnige Winterlandschaft hatte ihm ausgesprochen gut gefallen. Nicht so gut gefielen ihm jetzt diese Komplikationen, auf die er nicht gefasst gewesen war. Aber Justus und Bob würden es ihm nie verzeihen, wenn ihnen das Lösegeld durch die Lappen ging.
Sammy nickte. Sie gingen vom Umkleideraum in die kleine Halle. Plötzlich spürte Peter den Ellenbogen des Mädchens in seiner Seite. »Da ist er«, flüsterte sie. Der Zweite Detektiv sah von hinten einen schwarzhaarigen Mann an den beiden großen Fenstern vorübergehen. »Schon mal gesehen?«, wollte Sammy wissen.
Peter schüttelte den Kopf und sah das Mädchen von der Seite an. Vielleicht, dachte er, hat sie doch nur zu viele Krimis gesehen.
Er sah auf die Uhr. Es war zwanzig vor zwölf. Wenn er sofort aufbrach, konnte er noch rechtzeitig beim Aussichtsturm
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