Gejagt
fort: »Nein, den Ort der Macht hier in der Schule hat er verunreinigt. Es war seine Macht, kombiniert mit der von Neferet und dem Blut von Stevie Rae, wodurch er seine Fesseln lösen konnte und –« Ich keuchte auf, als ich begriff, was das bedeutete. »Stevie Rae! Spontan hätte ich gesagt, dass sie die Erde sein müsste – ich meine, das ist schließlich ihre Affinität und so. Aber das stimmt nicht. Sie ist das Blut!«
Lenobia nickte lächelnd. »Sehr gut. Eine haben wir schon. Jetzt musst du nur noch die anderen vier finden.«
»Und den Ort«, murmelte ich.
»Ja, und den Ort«, pflichtete sie mir bei. »Nun, Orte der Macht sind auch an den Geist gebunden. So wie Avalon, die uralte Insel der Göttin, eine geistige Verbindung zu Glastonbury hat. Selbst die Christen in uralter Zeit haben die Anziehungskraft seiner Macht gespürt und dort ein Kloster errichtet.«
»Was?« Aufgeregt kam ich um Persephone herum und blieb vor Lenobia stehen. »Was haben Sie da über ein Kloster und die Göttin gesagt?«
»Nun, Avalon ist ein Ort großer Macht, wenn es auch nicht im eigentlichen Sinne zu unserer Welt gehört. Die Christen haben das gespürt, dort eine Abtei gegründet und die Kirche darin Unserer Lieben Frau gewidmet.«
Ich musste mir die Tränen aus den Augen blinzeln. »Oh Lenobia, das ist es!« Ich musste lachen. »Das passt genau! Der Ort der Macht ist an der Ecke Einundzwanzigste Straße und Lewis Avenue. Im Benediktinerinnenkloster.«
Lenobias schaute mich erstaunt dann. Dann lächelte sie. »Unsere Göttin ist weise. Nun gilt es nur noch, die anderen vier zu finden und sie dorthin zu bringen. Der Rest des Gedichts sagt uns, in welcher Weise sie zusammenkommen müssen …« Sie las vor:
Führt Nacht zu Geist
Bindet Blut die Menschlichkeit
Und Erde vollendet.
»Blut ist schon dort – oder ich hoff’s wenigstens«, sagte ich. »Ich hab Stevie Rae gesagt, sie soll mit den roten Jungvampyren zum Kloster fliehen, als ich herausgefunden hatte, dass Kalona sie sich schnappen will.«
»Warum gerade dorthin?«
Mein Grinsten wurde so breit, dass mir fast die Lippen platzten. »Weil dort Geist ist! Geist ist die Priorin, Schwester Mary Angela. Sie hat meine Grandma vor den Rabenspöttern gerettet und kümmert sich jetzt um sie.«
»Eine Nonne soll den Geist repräsentieren und helfen, einen gefallenen Engel zu überwinden? Bist du da sicher, Zoey?«
»Nicht überwinden – nur verbannen. Damit wir die Zeit haben, Atem zu schöpfen und uns zu überlegen, wie wir ihn endgültig loswerden. Und ja, ich bin sicher.«
Lenobia zögerte nur einen Augenblick lang, dann nickte sie. »Gut, damit haben wir Blut und Geist. Denk nach. Wer trägt Erde, Nacht und Menschlichkeit in sich?«
Ich machte mich wieder daran, Persephone zu striegeln. Im nächsten Moment musste ich lachen und hätte mir am liebsten die Hand vor die Stirn geklatscht. »Aphrodite! Sie muss Menschlichkeit sein! Auch wenn sie sich die meiste Zeit weigert, was damit zu tun zu haben.«
»Nun, wenn du es sagst«, meinte Lenobia säuerlich.
»Okay, fehlen noch Erde und Nacht.« Eilig überlegte ich weiter. »Wie schon gesagt, zuerst hätte ich gedacht, Stevie Rae müsste Erde sein, wegen ihrer Affinität. Aber tief drin weiß ich, dass sie Blut ist. Erde … Erde …« Ich seufzte wieder.
»Könnte es Anastasia sein? Ihre Begabung für Zauber und Rituale gründet sich auf die Erde.«
Ich dachte darüber nach, aber leider verspürte ich nicht dieses Einrasten in mir, das mir bestätigte, dass es stimmte. »Nein.«
»Vielleicht nehmen wir die falschen Leute ins Visier. Geist scheint ja jemand außerhalb des House of Night zu sein, was ich zugegebenermaßen nicht vermutet hätte. Vielleicht gilt das auch für die Erde.«
»Okay, wenn man’s so sieht, sollten wir wohl in diese Richtung denken.«
»Welche Person – kein Jungvampyr und kein Vampyr – könnte die Erde symbolisieren?«
»Ich denke, von den Leuten, die ich kenne, ist das Volk meiner Grandma der Erde am nächsten. Die Cherokee haben der Erde immer Respekt entgegengebracht, anstatt sie nur besitzen und ausbeuten zu wollen. Die Weltsicht der Cherokee, die ihre Traditionen noch leben, ist ziemlich verschieden von der, die heute generell herrscht.« Dann klappte ich plötzlich den Mund zu und lehnte mit einem geflüsterten Dankgebet meine Stirn gegen Persephones weiche Schulter.
»Du weißt, wer es ist?«
Lächelnd sah ich auf. »Meine Grandma.«
»Perfekt!«, stimmte Lenobia
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