Gejagt
mit denen der Stall ausgestreut war, begannen unter ihren Hufen zu rauchen.
»Oh Mann! Wir müssen raus hier, bevor wir noch alles in Brand setzen«, drängte Damien. Er hielt mich so fest umklammert, dass mir das Atmen ein bisschen schwerfiel, aber ich wollte nichts sagen, weil er sonst vielleicht noch zu rutschen anfing.
Ich dachte gerade, dass tatsächlich gleich die Sägespäne in Flammen stehen würden, als hinter uns ein Riesenaufruhr begann. Er rührte natürlich daher, dass Lenobia die Pferde befreite, damit sie kreuz und quer über das Schulgelände stürmten, als wären sie halb verrückt wegen des Feuers im Stall. Persephone warf den Kopf hoch und schnaubte. Ich fühlte, wie sich ihre Muskeln anspannten, und hatte gerade noch die Zeit, die Schenkel zu schließen und Damien zuzurufen: »Festhalten! Es geht los!« Und dann galoppierte die Stute aus dem Stall hinaus in die tobende Nacht.
Seite an Seite jagten die drei Pferde über den Reitplatz und durch das offenstehende Gatter. Dann ging es hart nach links, hinter dem Schulhauptgebäude entlang, und schneller, als ich für möglich gehalten hätte, trommelten die glühenden Hufeisen über die Eisdecke, die den Parkplatz überzog, und ließen um uns herum Dampfschwaden aufsteigen.
Überall hinter uns hörte man das Wiehern von Pferden in Panik und das Kreischen von Rabenspöttern. Ich biss die Zähne zusammen und hoffte, dass Lenobias Pferde ein paar der Vogelmenschen ausschalten konnten.
Da klapperten Persephones Hufe zischend über den Asphalt der eisglatten Auffahrt, die zum Haupttor der Schule führte.
»Oh, Göttin! Schaut mal da hin!«, brüllte Damien. Über meine Schulter hinweg deutete er nach vorn zwischen die Alleebäume auf der linken Seite der Auffahrt. Dort war Dragon in einen Kampf gegen drei Rabenspötter verwickelt. Seine Klinge war nur als verwischtes silbernes Aufblitzen zu erkennen, während er umherwirbelte, zustach, parierte. Kaum kamen wir in Sicht, da versuchten die Vogelmenschen, sich auf uns zu stürzen, aber Dragon verdoppelte seine Anstrengungen, durchbohrte einen sofort und brachte die beiden anderen dazu, sich ihm zischend wieder zuzuwenden.
»Geht!«, schrie er, während wir an ihm vorbeigaloppierten. »Nyx segne euch!«
Das Tor war offen – dank Dragon, da war ich mir sicher. Wir preschten hindurch, wandten uns nach rechts und galoppierten die verlassene, vereiste Utica Street hinunter.
Unter der Straßenlampe an der Ecke Einundzwanzigste Straße (die nicht funktionierte) lenkten wir die Pferde wieder nach rechts und gaben ihnen dann mitten auf der Fahrbahn die Köpfe frei.
Die Innenstadt von Tulsa hatte sich in ein gefrorenes Gespenst ihrer selbst verwandelt. Hätte ich nicht genau auf den Weg geachtet und wäre nicht felsenfest sicher gewesen, dass wir in rasantem Galopp die Einundzwanzigste Straße hinunterjagten, hätte ich das Gefühl gehabt, total verloren in einer postapokalyptischen Eiswelt zu sein. Nichts kam mir auch nur im Entferntesten bekannt vor. Keine Lichter. Keine fahrenden Autos. Keine Menschen. Es herrschten allein Kälte, Dunkelheit und Eis. Die herrlichen alten Bäume an den Straßen hatten so dicke Eiskrusten, dass viele davon buchstäblich mitten entzweigebrochen waren. Viele Strommasten waren umgeknickt, und die Leitungen schlängelten sich über die Straße wie träge Vipern. Die Pferde schenkten ihnen keine Beachtung. Sie flogen über abgebrochene Äste und Stromkabel gleichermaßen hinweg, und ihre glühenden Hufeisen brannten sich durch das Eis und sprühten Funken auf dem Asphalt.
Und dann hörte ich über dem hohlen Trommeln der Hufschläge und dem Zischen des Feuers auf dem Eis das entsetzliche Rauschen von Flügeln und den Schrei eines Rabenspötters. Und dann noch einen. Und noch einen.
»Darius!«, schrie ich. »Rabenspötter!«
Er sah sich um und nickte grimmig. Dann tat er etwas, was mich total schockte. Aus seiner Jackentasche zog er eine schwarze Pistole. Ich hatte noch nie einen Sohn des Erebos mit einer modernen Waffe gesehen. Sie wirkte in seiner Hand völlig fehl am Platz. Er sagte ein, zwei Worte zu Aphrodite, die sich an seinen Rücken presste, und sie rückte ein bisschen zur Seite, damit er sich halb umdrehen konnte. Mit erhobenem Arm zielte er und gab ein halbes Dutzend Schüsse ab. In der gefrorenen Nacht war das Knallen ohrenbetäubend, aber viel gruseliger war das, was folgte – das Kreischen der verwundeten Rabenspötter und das
plumps! wumm!
der Körper, die
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