Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gejagt

Gejagt

Titel: Gejagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast , Kristin Cast
Vom Netzwerk:
die Rinde und schloss die Augen. Durch Konzentration versuchte ich, meinen inneren Norden zu finden – in dem das Element Erde verortet war – und sprach: »Erde, ich brauche dich. Bitte komm zu mir.« Inmitten des Eissturms, im tiefsten Winter umgab mich plötzlich wunderbarerweise der Duft einer Frühlingswiese … reifen Weizens … eines Mimosenbaums in voller Blüte. Dankbar neigte ich den Kopf. »Ich habe eine große Bitte an dich, und wenn es kein Notfall wäre, würde ich sie niemals aussprechen.« Tief holte ich Luft und konzentrierte mich auf die eisglatte Rinde unter meiner Handfläche. »Fall um«, befahl ich. »Vergib mir, aber ich muss dich bitten, umzufallen.« Unter meiner Hand erbebte der Baum, so heftig, dass ich rückwärts stolperte, und mit einem Ächzen, in dem ich ganz ehrlich einen Todesschrei hören konnte, senkte sich die alte Eiche tiefer, krachte gegen die schon beschädigte Mauer, ließ Stein- und Ziegelbrocken herabkollern und schuf eine Bresche in dem Wall um die Schule, eine Bresche, von der man nur annehmen konnte, dass wir durch sie entfliehen wollten.
    Ich atmete schwer und fühlte mich ganz schön zittrig, aber mechanisch schickte ich den Geist los, um Lenobia meinen Erfolg zu melden. Dann rappelte ich mich auf, stolperte zu dem nun unwiderruflich umgefallenen Baum und legte beide Hände auf die Rinde. »Danke, Erde.« Aus einem spontanen Impuls heraus fügte ich hinzu: »Geh zu Stevie Rae. Sag ihr, dass wir kommen. Sag ihr, sie soll sich bereithalten.« Wie immer, wenn ich einem Element etwas auftrug, fühlte ich diese horchende Stille um mich. »Geh jetzt, Erde. Nochmals vielen Dank, dass du mir geholfen hast, und es tut mir furchtbar leid, dass ich dem Baum weh tun musste.«
    Darius trat zu mir. »Wir müssen zu den Ställen zurück.« Dann hob er mich wieder auf die Arme. »Du hast gut gehandelt, Priesterin.«
    Ich schmiegte meinen Kopf an seine freundschaftlich vertraute Schulter und merkte nur daran, dass seine Jacke nasse Streifen bekam, dass ich weinte. »Ja. Lass uns endlich hier verschwinden.«

Zweiunddreißig
    D ie aufgezäumten Pferde warteten schon auf uns. Erin und Shaunee saßen auf Destinys Rücken, Shaunee auf dem ›Fahrersitz‹. Sie hatte auf der Privatschule, auf die sie gegangen war, bis sie Gezeichnet wurde, ein paar Kurse in englischem Jagd- und Springreiten belegt und bezeichnete sich als ›fast mittelmäßige Reiterin‹. Aphrodite und Damien warteten neben Hope und Persephone. Damien sah aus, als müsste er sich jeden Moment übergeben.
    »Ich habe die Berührung des Geistes gespürt und nehme an, alles lief glatt?«, fragte Lenobia, während sie um uns herumhuschte und noch einmal bei jedem Pferd das Zaumzeug überprüfte.
    »Die Mauer ist gebrochen, aber ich musste einen Rabenspötter töten. Ich bin sicher, man wird ihn bald entdecken«, sagte Darius.
    »Nun, das ist ja eigentlich gut. So wird es noch glaubhafter erscheinen, dass ihr durch das Loch in der Mauer entkommen wollt.« Lenobia sah auf die Uhr. »Zeit, aufzusteigen. Shaunee, bist du bereit?«
    »Hab seit meiner Geburt auf diesen Moment gewartet.«
    »Gut. Und du, Erin?«
    Erin nickte. »Immer doch.«
    »Damien?«
    Obwohl er Lenobia antwortete, sah er mich an. »Ich hab Angst.«
    Ich trat neben ihn und nahm seine Hand. »Ich auch. Aber es ist ein Riesentrost, wenn ich daran denke, dass wir alle zusammen sind.«
    »Auch wenn wir zusammen auf einem Pferd sitzen?«
    Ich lächelte. »Auch dann. Außerdem ist Persephone eine vollendete Dame.« Ich nahm seine Hand und führte sie an den anmutig geschwungenen Hals meiner Stute.
    »Oooh, ist die weich und warm«, sagte er.
    »Hier, ich helfe dir hoch«, sagte Lenobia, bückte sich und machte Damien eine Räuberleiter.
    Mit einem leidgeprüften Seufzer stützte er ein Knie in ihre Hände und versuchte erfolglos, einen (sehr schwul klingenden) Kiekser zu unterdrücken, als sie ihn auf Persephones breiten Rücken beförderte.
    Bevor Lenobia auch mir heraufhalf, legte sie mir die Hände auf die Schultern und sah mir in die Augen. »Folge deinem Herzen und deiner Intuition, dann wirst du nicht fehlgehen. Schlag ihn in die Flucht, Priesterin.«
    »Ich tue mein Bestes«, erwiderte ich.
    »Und genau darum glaube ich so fest an dich«, sagte sie.
    Sobald wir alle aufgesessen waren, führte uns Lenobia zu dem Schiebetor, das den Stall mit dem Reitplatz verband, dessen äußeres Gatter sie schon zuvor unauffällig geöffnet hatte. Jetzt stand nichts mehr

Weitere Kostenlose Bücher