Gejagt
Darius.
Ich lächelte. »Genau das denk ich auch.«
»Heißt das, er ist kein Kotzbeutel mehr?«, fragte Erin.
»Ich dachte, er wär ein Kotzbrocken«, sagte Shaunee.
»Ist dasselbe«, knurrte Erin.
»Das heißt, dass ich ihm vertraue«, sagte ich. »Und ich würde mich freuen, wenn ihr ihm eine Chance geben würdet.«
»Es könnte unseren Tod bedeuten, in dieser Lage der falschen Person eine Chance zu geben«, sagte Darius.
Ich holte tief Luft. »Ich weiß.«
»Jeder frisch gewandelte Zögling muss einige Zeit in der Abgeschiedenheit des Nyxtempels verbringen«, sagte Lenobia. »Dragon hat mir versichert, dass Stark sicher dort angekommen ist.« Sie sah auf die Uhr. »Wir haben noch genau zehn Minuten. Können wir die Frage von Starks Vertrauenswürdigkeit auf einen günstigeren Zeitpunkt verschieben und zu wichtigeren Dingen übergehen?«
»Auf jeden Fall«, sagte ich. »Was gibt’s noch zu tun?« Ich konnte nur hoffen, dass Dragon den frisch gewandelten Stark wirklich sicher im Nyxtempel untergebracht hatte und wir es schaffen würden, Kalona samt Neferet zu verjagen, damit es überhaupt einen günstigeren Zeitpunkt geben würde, an dem wir uns mit Starks Vertrauenswürdigkeit befassen konnten.
Rasch zäumten wir die beiden übrigen Pferde auf, die sehr passend auf die Namen Hope und Destiny hörten. Dann kam der schwierige Part.
»Ich bin immer noch der Meinung, es ist zu gefährlich«, sagte Darius mit einem Gesicht wie eine Gewitterwolke.
»Ich muss es tun. Da Stevie Rae nicht hier ist, bin ich alles, was wir an Erdaffinität haben«, sagte ich.
»Klingt doch gar nicht so gefährlich«, versuchte Aphrodite den erzürnten Krieger zu beschwichtigen. »Zoey muss sich nur zur Mauer schleichen, dem Baum, der schon halb darüber liegt, sagen, er soll sich noch stärker darauf lehnen, und sich wieder hierher zurückschleichen.«
»Ich werde sie hinbringen«, beharrte Darius unnachgiebig.
»Das wär perfekt, so schnell wie du bist«, sagte ich. »Übrigens, ich bin bereit.«
»Woher weiß ich, dass ihr es geschafft habt und ich mit dem nächsten Teil des Planes anfangen kann?«, fragte Lenobia.
»Ich schicke Ihnen den Geist. Wenn Sie was durchzuckt – auf ’ne schöne Art –, dann wissen Sie, dass bei uns alles klar ist und Shaunee das Feuer freigeben kann.«
»Aber sie muss dringend daran denken, dass sie nur die
Hufeisen
erhitzt, sonst nichts.« Lenobia bedachte Shaunee mit einem strengen Blick.
»Ich weiß! Das ist echt nicht schwer. Macht ihr einfach mit dem Plan weiter, wir freunden uns derweil ein bisschen an, Destiny und ich.« Shaunee drehte sich wieder zu der großen rotbraunen Stute um, auf der sie und Erin reiten würden, und plauderte mit ihr, während Erin sie striegelte. Es ging um irgendwas mit Würfelzucker und einem Liebesapfel.
»Pass gut auf sie auf und komm heil wieder zurück zu mir.« Aphrodite küsste Darius auf den Mund und ging zu Hope hinüber, um Lenobia bei den letzten Handgriffen mit dem Zaumzeug zu helfen.
»Nun, Priesterin, sollen wir?«, fragte Darius.
Ich nickte und ließ mich von ihm auf die Arme nehmen. Darius trat hinaus in die eisige, stürmische Nacht, und dann verschwamm alles um uns, als er quer über die Grünfläche hinter den Stallungen raste, bis dorthin, wo eine gewaltige Eiche halb über der etwas weniger gewaltigen Schulmauer hing. Sie hatte einer der letzten Tulsaer Wetterkatastrophen nicht widerstanden und war umgefallen, oder jedenfalls so halb. Gerüchten (bzw. Aphrodite) zufolge war das unter normalen Umständen eine wunderbare Stelle, um sich heimlich aus der Schule zu schleichen, und aus persönlicher Erfahrung wusste ich, dass da durchaus was dran war.
Heute herrschten aber keine normalen Umstände.
Viel zu bald kam Darius neben dem umgefallenen Baum zum Stehen, schob mich darunter und flüsterte: »Bleib da, bis ich Entwarnung gebe.« Und weg war er.
Also verkroch ich mich unter dem Baum und dachte daran, wie kalt und nass alles war und wie sehr Männer nervten. Dann hörte ich dieses scheußliche Flügelschlagen, und ich beschloss wieder rauszukriechen – und zwar schnell.
Als ich unter dem Baum hervortauchte, sah ich gerade noch, wie Darius einen Rabenspötter am Flügel packte, ihn zu Boden riss und ihm die Kehle aufschlitzte.
Ich schaute schnell weg.
»Beeil dich, Zoey. Wir haben keine Zeit.«
So gut es ging, ignorierte ich die Leiche des Rabenspötters, eilte wieder zu dem halb umgestürzten Baum, legte die Hand auf
Weitere Kostenlose Bücher