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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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ihre Fingerabdrücke, ging ihre Aussagen gemeinsam und getrennt immer wieder durch. Die längsten Verhöre mußte Taxliil ertragen, stundenlang, wiederholt bedrohte man ihn. Auch an Ahl zeigte das FBI großes Interesse, aufgrund seines Geburtsorts und weil er, Yusur und Taxliil in einem Haus lebten, das in der Nähe des Mississippi und damit an möglichen Fluchtwegen lag. Ein FBI -Beamter beschuldigte ihn, für radikale Muslimgruppen als Talentsucher tätig zu sein.
    Yusur wurde von den Beamten die Rolle der Zeugin zugeteilt. Sie behandelten sie in Anbetracht ihrer Vorgeschichte freundlich. In ihrer Wahrnehmung war sie von einem Vergewaltiger an einen Mann geraten, dessen Vorgeschichte auf subversive Neigungen hindeutete, den älteren Bruder eines Journalisten, der aufgrund seiner Verbindungen Zugang zu den Dschihadisten hatte. Der Beamte fragte Yusur, wie wahrscheinlich es sei, daß Ahl Taxliil als Selbstmordattentäter anwerben würde. Sie sagten, sie solle es sich von der Seele reden; sie seien ihre Freunde und wollten ihr Bestes. Wer seine Freunde seien? Wen kontaktiere er wie?
    Schließlich stellte das FBI allen dreien Unbedenklichkeitsbescheinigungen aus. Dennoch wurden sie angewiesen, der Behörde alle verdächtigen Aktivitäten mitzuteilen. Geschehe dies nicht, würden sie erneut überprüft.
    Ahl sitzt da, mit dem Handy in Reichweite, aber es will nicht klingeln. Das Pech ist den Somaliern gefolgt, die aus ihrem im Krieg liegenden Land geflohen sind, denkt er, die den Meeren trotzten und Vergewaltigung, Schikane, Korruption und Mißbrauch ertrugen. Ausgerechnet auf sicherem Boden gingen sie aufeinander los, die Jugendlichen bildeten bewaffnete Banden, als wollten sie beweisen, daß sie grausamer sein konnten als die Erwachsenen. Die Gewalt unter Somaliern in den Twin Cities konnte es mit der Gewalt in ihrem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land aufnehmen.
    Als sich das Pech das nächste Mal meldete, war Taxliil bereit, ihm zu folgen. Es führte ihn nach Somalia, sein Reiseweg ein Rätsel, die finanzielle Quelle, die sein Flugticket bezahlte, ein Geheimnis, seine Ratgeber ein Enigma, die Talentsucher, die ihn angeworben hatten, ein Mysterium. Als Ahl sich entschloß, nach Somalia zu fahren, fragte Yusur ihn, warum er auf der hoffnungslosen Suche nach einem Burschen, der Gott weiß wohin verschwunden sei, sein Leben riskieren wolle. Ahl antwortete, er wolle die Zahl der unbekannten Faktoren reduzieren. »Ich will es später nicht bereuen, daß ich nicht nach unserem Sohn gesucht habe. Das ist das mindeste, was ich tun kann.«
    Neuigkeiten aus Somalia beruhen oftmals lediglich auf Hörensagen, gestützt von Klatsch, geschürt von Gerüchten. Im Wesentlichen erfahren Ahl und Yusur dies: Taxliil hat sich der militanten somalischen Jugendbewegung angeschlossen, deren Mitglieder in den somalischen Gemeinschaften im Ausland angeworben und zu Dschihadisten ausgebildet werden. Der Gedanke, daß Taxliil, verführt von einem Imam, der sein Vorbild war, etwas geschehen könnte, erschüttert Ahl. Was soll aus ihm und Yusur werden, falls Taxliil etwas zustößt?
    Nachdem er lange genug gewartet und Malik sich nicht gemeldet hat, macht er sich zur Baraka Mall auf, um von einem Verwandten Yusurs, der dort einen Stand betreibt, weitere Kontaktnummern zu bekommen. Gleich nachdem er aus seinem Auto gestiegen ist, fällt sein Blick auf einen von Taxliils Onkeln, der ihn anstarrt und ihm dann unhöflich den Rücken zudreht, ohne ihn zu begrüßen oder ihm auch nur ein Lächeln zu schenken. Daß der Mann sich nicht mal die Mühe macht zu fragen, ob es Neues von seinem Neffen gibt, beunruhigt Ahl. Wahrscheinlich würde er dem Mann ohnehin nicht viel erzählen, zumindest keinesfalls, daß er auf dem Weg nach Somalia ist, um nach dem Jungen zu suchen. Ahl ist sich bewußt, daß Yusurs ehemalige Schwiegereltern ihnen die Schuld für das geben, was passiert ist, da er und Yusur das Sorgerecht für Taxliil haben. Mit gesenktem Kopf geht er weiter, schaut dann hoch und auf das Schild, auf dem steht »Welcome to Baraka Mall«. Leise liest er die englische Aufschrift, dann laut die somalische.
    Das somalische Einkaufszentrum in den Twin Cities existiert seit einigen Jahren. Es war die Idee eines pakistanischen Emigranten, der das Gebäude spottbillig erwarb, als es noch eine leerstehende Autowerkstatt war, und es in zehn auf zehn Meter große Läden und sechs auf acht Meter große Stände unterteilte. Er vermietete die Flächen an Somalier,

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