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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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Und als ihr Mann schließlich freigelassen wurde und sie sich weigerte, ihn wieder bei sich aufzunehmen, wurden ihre Schwiegereltern so wütend, daß sie sie körperlich bedrohten. Schließlich schickte ihn seine Familie, besorgt, er könne ihrem Namen weiteren Schaden zufügen, erst einmal nach Detroit und sorgte dann dafür, daß er nach Toronto kam, wo er sich bei den Behörden, dank einer geringfügigen Änderung in der Namensreihenfolge auf seinen Papieren, als neuangekommener Somalier präsentierte.
    Ehe sie Mann und Frau wurden, trafen sich Yusur und Ahl lange Zeit heimlich. Ihre Hochzeit war sehr privat, nur Malik und seine Eltern wußten Bescheid. Ihre Mutter beehrte sie bei dieser Gelegenheit mit ihrer Anwesenheit, aber ihr Vater schickte bloß ein knappes Telegramm aus Hargeisa mit den Worten: Ihr habt meinen Segen.
    Der Junge, Taxliil, und Ahl entwickelten ein Vater-Sohn-Verhältnis, und auch wenn er dieses Wort nicht benutzte, benahm sich Taxliil doch so, als wäre Ahl sein Vater.
    Ahl seinerseits sorgte dafür, daß es Taxliil an nichts fehlte. Er war sich bewußt, daß für die meisten somalischen Kinder das Leben in der Diaspora schwer war: Strafen zu Hause, Demütigungen in der Schule, Mütter, die niemand entlastete, Väter, die sich selten an der Erziehung ihrer Sprößlinge beteiligten. In vielen Familien gingen Verwandte aus und ein, im Gepäck entsetzliche Geschichten, über das, was sich im Heimatland zutrug. Das Telefon klingelte um zwei, drei oder vier Uhr morgens, der Anrufer benötigte Geld, um das Begräbnis eines Clanmitglieds bezahlen zu können, das in einem Scharmützel zwischen den verschiedenen Milizen gefallen war. Bei dem ganzen Tumult und dem Lärm des stets laufenden Fernsehers fehlte es den Jugendlichen oft an Ruhe und Zeit, ihre Schularbeiten zu machen.
    Aber das war in dem Zuhause, in dem Taxliil aufwuchs, dank Ahl nicht der Fall. Die drei bildeten eine Kernfamilie: Mann, Frau und Kind sowie Onkel Malik, der gelegentlich zu Besuch kam, für einen heranwachsenden Jungen ein ­ideales Vorbild, wie man hätte denken können. In diesem Haushalt herrschten Ordnung und Liebe im Überfluß. Ahl nahm sich die Zeit und beaufsichtigte Taxliils Hausauf­gaben. Zweimal die Woche ging Taxliil in die Moschee in der Nachbarschaft und erhielt von einem somalischen Lehrer mit rudimentären Arabischkenntnissen Religionsunterricht. Diplomatisch korrigierte Ahl Taxliil des öfteren, ohne auf die Schwächen des Lehrers hinzuweisen.
    Am ersten Tag auf der weiterführenden Schule traf Taxliil Samir mit den grünen Augen, einen Kurden. Die beiden Jungen wurden unzertrennlich. Gemeinsam trieben sie Sport, spielten am Computer, tauschten Klamotten, schwam­men und machten am Wochenende lange Spaziergänge. Sie spornten sich gegenseitig an, ihre Ziele zu erreichen. Beide taten, als käme das Wort »unmöglich« nicht in ihrem Wortschatz vor. Gut zu sein reichte nicht; sie waren besser als alle anderen.
    Eines Sommers flog Samir in den Ferien mit seinem Vater nach Bagdad, um zum ersten Mal seit der amerikanischen Machtübernahme den Irak zu besuchen. Er saß mit seinen Großeltern im Fonds des Wagens, sein Vater vorn neben dem Fahrer, Samirs Onkel, als sie an einem Checkpoint von einem US -Marine angehalten wurden. Schnell stieg Samir aus und wartete in einiger Entfernung vom Auto am Straßenrand, wie befohlen. Sein Vater holte den Rollator der Großmutter und half ihr, als sie wacklig aus dem Wagen stieg. Sein Onkel beugte sich vor, verschwand mit dem Oberkörper im Auto und suchte mit dem immer noch darin befindlichen Großvater nach dessen Gehstock. Es dauerte lange.
    Aus Angst, einer der beiden Männer könne ihn erschießen, eröffnete der junge Marine das Feuer und tötete alle, nur Samir überlebte.
    Nach seiner Rückkehr wurde Samir mürrisch. Die Freunde verbrachten zwar immer noch Zeit miteinander, aber es fehlte der Spaß, und sie spornten sich auch nicht mehr gegenseitig an. Dann sprach Samir davon, »religiöse Verantwortung« zu übernehmen, und verschwand kurz darauf von der Bildfläche. Ungefähr einen Monat später tauchte sein Foto in der Star Tribune auf, die Unterschrift lautete »Jugendlicher aus St. Paul verübt Selbstmordattentat in Bagdad«.
    Sehr früh am folgenden Morgen kam das FBI und nahm Taxliil, Ahl und Yusur unnötig heftig in die Zange, als hätten sie die Bombe gezündet, die den Tod der Soldaten verursachte. Sie wurden in verschiedene Fahrzeuge verfrachtet, man nahm

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