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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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aufzunehmen. Niemand weiß genau Bescheid über den Aufenthaltsort der ungefähr zwanzig anderen somalischen Jugendlichen aus den Vereinigten Staaten, die aus ihrem Zuhause verschwunden sind (sie stammen aus verschiedenen Teilen des Landes, jedoch hauptsächlich aus Minnesota), aber das Gerücht, daß Taxliil nach Puntland geschickt worden ist, mit dem Auftrag, den Kontakt mit den Piraten herzustellen, um eine Brücke zwischen ihnen und der Al-Schabaab zu schlagen, gewinnt an Plausibilität. Zweimal soll Taxliil einer Delegation der Union als Dolmetscher gedient haben, ihnen bei der Verständigung mit den Geiseln – einige davon Muslime – der somalischen Piraten behilflich gewesen sein.
    Seit kurzem ist Ahls ganzer Körper aus dem Gleichgewicht, derart aus dem Lot, daß er manchmal unfähig ist, die einfachsten physischen Vorgänge zu bewerkstelligen. Vor ungefähr einem Monat wachte er kurz vor der Morgendämmerung aus dem Tiefschlaf auf und mußte dringend pinkeln, setzte sich auf, wollte ins Bad. Bloß daß er es nicht bis dahin schaffte; er nässte sich ein wie ein Baby. Zwar gelobten Malik und Jeebleh, wenn sie in Somalia angekommen seien, würden sie überall nach Taxliil fragen und versuchen, ihn aufzuspüren, aber Ahl weiß, daß er selbst nach Puntland reisen muß. Natürlich gibt es keine Garantie dafür, daß sich Taxliil in Puntland aufhält oder daß einer von ihnen – Ahl, Malik oder Jeebleh – ihn ausfindig machen wird. Oder daß, falls es ihnen gelingt, der Bursche willens ist, mit ihnen nach Minneapolis zurückzukehren.
    Heutzutage ist es nicht leicht, sich auf eine Reise nach Somalia vorzubereiten. Während der vergangenen zwei Jahrzehnte hat endlose Gewalt das Land erschüttert. Zwar sind Ahl und Malik in Aden geboren und aufgewachsen, aber man hatte ihnen beigebracht, Somalia als das Land ihres Vaters zu betrachten – obwohl dieser selbst nie dort war. Trotzdem achtete er darauf, daß seine Söhne von klein auf die Sprache lernten. Auch wenn ihnen das Land fremd ist, waren ihnen Somalias Probleme immer bewußt.
    Zur Vorbereitung seiner Reise hat Ahl die notwendigen Impfungen vornehmen lassen und begonnen, einmal die Woche Malariatabletten einzunehmen. Auch hat er so viele Informationen über Puntland wie möglich gesammelt; er hat eingehend Landkarten studiert und andere befragt, was er tun soll, wohin er gehen und an wen er sich wenden soll. Er steht mit Xalan in Kontakt, die seine Frau Yusur seit ihrer Kindheit kennt. Ihr Neffe Ahmed-Rashid, der Sohn ihrer älteren Schwester Zaituun, ist seit mehr als einem Jahr aus Columbus, Ohio, verschwunden, während seines ersten Collegejahrs dort abgetaucht. Aber da Zaituun, der Mutter des Jungen, sein Verschwinden offensichtlich ziemlich egal ist, tun Xalan und Warsame und der Rest der Familie so, als wäre es ihnen ebenfalls ziemlich egal. Zwischen den Schwestern Xalan und Zaituun, die beide in Bosaso leben, herrscht böses Blut. Yusur hat Ahl versichert, das werde sein Verhältnis zu Xalan jedoch nicht beeinträchtigen.
    Darauf hat Ahl vertraut und seine Reisedaten Xalan mitgeteilt, in der Hoffnung, daß sie mit der Hilfe ihres Mannes Sicherheitsmaßnahmen für ihn treffen wird. Ihm wäre es lieber, er würde die ersten paar Tage in einem Hotel übernachten, statt bei ihr und ihrem Mann zu wohnen, damit er eine erste Bestandsaufnahme der Gegend machen und sich auf sein weiteres Vorgehen konzentrieren kann. Sein Flug geht über Paris und Dschibuti nach Bosaso. Xalan hat angeboten, daß ihn Warsame vom Flughafen abholt und bestätigt, daß sie für ihn ein Hotelzimmer gebucht hat.
    Ahl sitzt da, vor ihm ein aufgeschlagenes Buch über Puntland, neben sich sein Handy, das er zu klingeln beschwört, das Festnetztelefon befindet sich ebenfalls in Reichweite. Er will unbedingt mit Malik sprechen, der gerade eben in Mogadischu gelandet sind muß, möchte wissen, ob alles nach Plan verlaufen ist. Gestern abend, Yusur hatte Nachtschicht, blieb er lange auf und sah fern, Al Jazeera, BBC World Service und CNN , und ergänzte die dort gewonnenen Informationen durch die Lektüre amerikanischer und europäischer Zeitungen im Internet. Er möchte das Neueste über den drohenden Einmarsch Äthiopiens in Somalia erfahren.
    Das Telefon klingelt, Yusur fragt, ob er etwas von Malik gehört habe. Auf seine Antwort hin, daß Malik nicht an­gerufen habe, bricht sie in Tränen aus. Ahl ruft sich in Erinnerung, daß er um aller willen stark sein muß. Seit ihr Sohn

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