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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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überraschen ihre Opfer und verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen. All das trifft auf die ausländischen Eindringlinge in unseren Gewässern zu, aber nicht auf die Somalier. Die Somalier sind hauptsächlich in ihren eigenen Gewässern zugange. Sie foltern niemanden, sie fügen niemandem Schaden zu, nicht einmal ihren Geiseln, und sie verheimlichen ihre Identität nicht. Die Verleumdungen, die über uns kursieren, hinterlassen bei mir einen bitteren Nachgeschmack. Wir haben die Rolle des Schurken im Stück zugewiesen bekommen, und niemand will unsere Seite der Geschichte hören.«
    »Was ist mit den Lösegeldmillionen?« fragt Ahl.
    »Erst einmal«, sagt Fidno, »was läßt dich glauben, daß die ›Piraten‹ Millionen Dollar Lösegeld erhalten?«
    »Ist das nicht der Fall?«
    »Das ist der Grund, weshalb ich mit einem Journalisten reden will.«
    »Du sagst also nicht, daß das nicht der Fall ist?«
    »Ich würde die Piraten mit Taschendieben vergleichen«, sagt Fidno.
    Ahl erinnert sich an mehrere Interviews mit den Besatzungen und den Kapitänen der entführten Schiffe, in denen oft davon die Rede war, daß die Piraten ihnen die Armbanduhren, ihre Jacken, ihre Handys und andere Gegenstände geklaut hatten. Da Fidno behauptet, die somalischen Piraten riskierten ihr Leben für ein Almosen, ist es einleuchtend, daß er sie mit Taschendieben vergleicht. Es ist eher unwahrscheinlich, daß jemand, der mit der Entführung von Tankern Riesengewinne macht, sich aufs Klauen verlegt. Es sei denn, er wäre Kleptomane.
    »Selbst wenn der Ertrag, den ein Taschendieb an einem guten Tag macht, den Tagesverdienst eines Bettlers übertrifft«, sagt Fidno, »kenne ich doch keinen Taschendieb, der zum Millionär geworden ist. Die Somalier erhalten nur einen kleinen Teil der Einnahmen.« Fidno macht eine Pause, wiederholt dann: »Das ist der Grund, weshalb ich mit einem Journalisten reden will.«
    Fidno hat jetzt seinen zigarettenhungrigen Blick auf den in der Nähe rauchenden Kellner gerichtet. Schließlich begreift Ahl den Wink und bestellt eine Schachtel Zigaretten. Wenn Fidno oder die Piraten im Geld schwimmen würden, denkt er, hätte er es doch nicht nötig, daß ihm ein beinahe Fremder das Essen bezahlt oder eine Schachtel Zigaretten kauft.
    Nachdem er sich eine Zigarette angezündet hat, fährt Fidno fort. »Da es kein funktionierendes Staatsgefüges gab, mußte die Gemeinschaft die Verantwortung übernehmen, und anfänglich hatten die Fischer die Billigung der Küstengemeinden, die unter den ausländischen Eindringlingen litten.«
    »Und wieviel Prozent des Lösegelds aus diesen frühen Abenteuern hat die Gemeinschaft erhalten?« fragt Ahl.
    »Zu Anfang bekam die Gemeinschaft ziemlich viel.«
    »Und in letzter Zeit?«
    »Beinahe nichts.« Fidno raucht die nächste Zigarette.
    »Zu meinem Verständnis«, sagt Ahl, »warum sollte der UNO -Sicherheitsrat eine Resolution verabschieden, die Länder dazu ermächtigt, an einer Koalition zur Eindämmung der Piraterie mitzuwirken, wenn dieser erlauchten Organisation klar ist, daß dieselben Länder illegale Fischerei in den Gewässern Somalias betreiben?«
    »Weil die UNO den mächtigen Ländern mit Vetorecht zu Diensten ist, die ihre Programme finanzieren, ihre Stromrechnungen und die Gehälter ihrer Angestellten zahlen«, erwidert Fidno.
    »Was bringt es den Ländern, wenn sie das Gesetz zur Eindämmung der Piraterie unterstützen?« will Ahl wissen. »Was erwarten sie sich von ihren finanziellen Zusagen?«
    »Gute Frage!« bemerkt Fidno.
    »Ist da etwas dran, daß Versicherer, die die Unterstützung europäischer Regierungen genießen, die um sich greifende Piraterie als triftigen Grund aufführen, um private Seestreitkräfte aufzubauen?« fragt Ahl.
    »Einige der Länder, die die Eindämmung der Piraterie fordern oder private Seestreitkräfte aufbauen, sind im Wesentlichen daran interessiert, daß die Sicherheit ihrer Schiffe gewährleistet ist, wenn sie in unseren Gewässern illegal fischen, oder sie machen Jagd auf Al-Qaida«, sagt Fidno.
    »Deine Antwort zieht bei anderen eventuell nicht«, sagt Ahl.
    Darauf verkündet Fidno unnötig laut, er verschwinde mal kurz.
    Ahl nippt an seinem Kaffee und schreibt sich ein paar Stichworte auf; er muß Malik unbedingt überzeugen, daß ein Interview mit Fidno die Mühe wert ist. Die Realität, die schrecklichen Lebensbedingungen der meisten Somalier, die Lebensmittelknappheit, die Umweltgefährdung, die ständigen

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