Gekapert
in der Menschen aus verschiedenen afrikanischen Ländern in einem freistehenden Haus eine Wohngemeinschaft bilden; jeder Kandidat versucht zu vermeiden, daß ihn die Zuschauer, die ihn rauswählen können, auf die Straße setzen. Der letzte, der auf die Straße gesetzt wird, erhält am Schluß einen hohen Geldpreis.
Z war gefällt es Ahl überhaupt nicht, daß er gleich als erstes am Morgen für Fidno den Gastgeber spielen muß, er tut es aber dennoch mit Elan. Aufgebracht hat Fidno ihn frühmorgens angerufen und sich beschwert, Ahl sei nicht aufrichtig zu ihm gewesen. »Warum hast du mir nicht gleich gesagt, daß du kein Journalist bist?«
»Wieviel Uhr ist es?« hat Ahl verschlafen gefragt.
Er warte unten im Pavillon, hat Fidno lediglich gesagt.
Der Kellner nimmt Fidnos Bestellung auf: Tee, Leber und das Lieblingsfrühstück der meisten Somalier: canjeero , Pfannkuchen, und dazu Bananen. Ahl bittet um canjeero mit Honig und Milchkaffee, keinen Zucker, danke. Er wird nicht viel essen können, dazu ist er immer noch zu erschlagen. Letzte Nacht summte ihm, gleich nachdem er sich hingelegt hatte, pausenlos ein Moskito ums Ohr. Kaum war er in Tiefschlaf gefallen, wurde sein Handy, das er auf Vibrationsalarm gestellt hatte, lebendig und stieß ihm gegen die Rippen. Zuerst dachte er, es wäre ein weiterer Moskito, der irgendwie sein Summen getarnt hätte – seit einiger Zeit sind sie sehr gerissen, resistent gegen alles, womit die moderne Medizin sie bombardiert. Dann wurde ihm klar, daß es sein Handy war, und er ging ran, in der Annahme, es sei Malik. Aber es war Fidno. Jetzt fühlt sich Ahl sowohl um ausreichend Schlaf betrogen als auch drangsaliert. Er trägt immer noch die Kleider vom Vortag.
Auch bedauert er, daß er seine Laptoptasche nicht mit nach unten gebracht hat, in der in einem Umschlag sein gesamtes Geld steckt. Er überlegt, ob er zurückgehen und sie holen soll, aber wahrscheinlich wird sein Zimmer ohnehin erst später am Morgen gereinigt. Für alle Fälle stecken in seiner hinteren Hosentasche ein paar hundert Dollar. Zumindest wird er das Frühstück für beide bezahlen können.
»Du hast mich reingelegt«, sagt Fidno.
»Habe ich überhaupt nicht«, beharrt Ahl.
»Du hast mich lächerlich gemacht.«
»Wenn du dich erinnerst, holte mich Warsame überraschenderweise ab. Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen oder wie ich dich vorstellen sollte. Ich konnte ihn nicht auf dich vorbereiten.«
»Und als wir bei ihnen zu Hause waren?«
»Mußte ich mit Xalan reden. Wir hatten ein paar familiäre Angelegenheiten zu klären. Es gab einfach keine Gelegenheit, bei der du und ich hätten allein miteinander reden können.«
»Das hättest du mir vorher sagen sollen. Und zwar deutlich.«
Der Kellner bringt ihnen das Frühstück. Ahl findet nicht, daß Fidno das Recht hat, ihm die Schuld zuzuweisen; er hat nichts falsch gemacht. Als der Kellner wiederkommt und sich erkundigt, ob alles in Ordnung sei, zückt Ahl seine zweihundert Dollar, als wollte er testen, wie der Kellner und Fidno auf die großen amerikanischen Scheine reagieren. Falls er sich jedoch erhofft hat, daß das Geld Fidno dazu bringt, ein Gespräch wie bei ihrem ersten Treffen anzufangen, ihm vielleicht von Taschen voller Geld zu erzählen, die als Lösegeld zu Schiffen gebracht wurden, deren Besatzung man als Geiseln hielt, sieht er sich enttäuscht, Fidno tut nichts dergleichen. Sie frühstücken schweigend. Gestern vertilgte Fidno ohne Scham sowohl sein als auch Ahls Mittagessen. Jemand, der Selbstachtung besitzt, würde so etwas nicht tun, denkt Ahl. Vielleicht ist Fidno erst seit kurzem verarmt, wie ein Spieler – von einem Tag auf den anderen pleite.
»Wahrheit gegen Wahrheit«, sagt Fidno.
»Wie meinst du das?«
»Du erzählst mir den wahren Grund deines Hierseins, und ich erzähle dir, wer ich in Wahrheit bin.«
Ahl ist alarmiert. Er mag es gar nicht, wenn er den Charakter eines Menschen nicht einschätzen kann. Fidno ist ihm einige Schritte voraus. Sein Vorschlag, Wahrheit gegen Wahrheit, erinnert ihn daran, wie es ist, wenn Malik und er Witze erzählen. Malik kennt Tausende von Witzen, kann Pointen geschickt in die Länge ziehen, sie beim Erzählen elegant aufbauen. Ahl hat die gräßliche Tendenz, seine Witze durch schlechtes Timing zu verhunzen, so wie manche Frauen ihr hübsches Gesicht mit unpassendem Make-up entstellen. Er möchte in keine Falle tappen und läßt sich Zeit, ißt sein Frühstück konzentriert in kleinen
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