Gekauft für den Harem
Willen verheiratet zu werden, obwohl ihr Vater sie liebt und ihr die Wahl gelassen hätte. Jedenfalls flehte sie mich an, sie zu begleiten, und mir gefiel die Vorstellung, zu reisen und etwas von der Welt zu sehen.“
Kasim öffnete die Tür. „Ich nehme an, Ihr habt mehr gesehen, als Ihr wünschtet. Aber so ist das Leben, ob Ihr oder ich es mögen oder nicht.“ Er nickte ihr kurz zu und verließ die Kajüte.
Harriet beugte sich abermals über ihre Cousine, schlug die Decken zurück und begann Marguerites Beine eins nach dem anderen mit dem nassen Tuch abzureiben. Sie drehte die Kranke auf den Bauch, schob das Hemd hoch und kühlte ihr den Rücken, dann drehte sie sie wieder in die ursprüngliche Lage und tupfte Arme, Hals und Gesicht ab. Danach schien es Marguerite besser zu gehen.
Harriet beobachtete sie eine Zeit lang, ehe sie an die Fensteröffnung trat und einen Blick nach draußen warf. Der Nachthimmel war schwarz bis auf ein paar wenige Sterne. Sie seufzte. Tränen brannten ihr in den Augen, doch sie wischte sie ungeduldig fort, ging zur Koje zurück und legte sich neben die schlafende Marguerite.
Sie war müde … so unendlich müde.
Du bist mein. Du wirst mir auf ewig gehören. Es gibt für dich kein Entkommen außer dem Tod. Ich habe rechtmäßigen Anspruch auf dich, und du bist mein Eigentum .
Schweißgebadet schreckte Harriet aus dem Schlaf hoch. Das Herz klopfte ihr bis in die Kehle. Sie zitterte am ganzen Leib, und das Gefühl eines unerklärlichen Verlusts machte sich in ihr breit. Sie konnte sich nicht erinnern, je etwas so Beängstigendes geträumt zu haben.
Wo war sie überhaupt? Einen kurzen Moment starrte sie in die Dunkelheit, dann überfluteten sie die Erinnerungen, und sie ließ sich auf die Koje zurücksinken. Sie befand sich an Bord eines Schiffes, das sie an den Hof des Kalifen brachte, irgendwo im Osmanischen Reich.
Kein Wunder, dass sie einen Albtraum gehabt hatte. Und genau wie ihr Traum in der letzten Nacht in England würde auch dieser wahr werden. Sie war die Gefangene eines Mannes, der ihr schreckliche Dinge sagte – des Mannes, der sie auf dem Sklavenmarkt gekauft hatte. Wie hieß er doch gleich? Kasim? Ja, so lautete sein Name. Er war ein hoher Würdenträger am Hof des Kalifen und hatte sie für den Harem erworben.
Während sie geschlafen hatte, war die Laterne erloschen, und sie hatte nichts, um sie wieder anzuzünden. Harriet schlüpfte aus dem Bett, beugte sich über die schlafende Marguerite und fühlte ihr die Stirn. Das Fieber hatte nachgelassen, Gott sei Dank.
Harriet nahm die Laterne vom Haken und trat in den schmalen Gang hinaus. Am Aufgang zum Deck flackerte ein schwaches Licht. In der Absicht, die Kerze in ihrer Laterne daran anzuzünden, setzte sie sich in Bewegung.
„Wo wollt Ihr hin? Es ist ein Wachposten an Deck, für den Fall, dass Ihr an Flucht denkt.“
Harriet wirbelte herum. Ein Schauer durchlief sie, als sie Kasim in dem langen weißen Kaftan erblickte. Er war barfuß und sah genauso aus wie der Mann in ihrem Traum!
„Ich sagte Euch bereits, dass ich Marguerite niemals verlassen würde. Die Laterne ist ausgegangen, und ich wollte versuchen, sie wieder anzuzünden.“
„Lasst mich das tun.“ Er nahm ihr die Laterne ab, öffnete das Glasgehäuse und zog die Stirn in Falten. „Die Kerze ist heruntergebrannt. Nehmt diese unterdessen, ich werde eine neue besorgen.“ Er reichte ihr die Laterne, die beim Aufgang gehangen hatte. „Wie geht es Eurer Cousine? Hat die Arznei geholfen?“
„Ich glaube, ja. Sie schläft tief und fest.“ Harriet stellte fest, dass sie keine Angst vor ihm hatte. In ihrem Traum war er finster und leidenschaftlich gewesen, doch nun, da er vor ihr stand in einem Kleidungsstück, das sie an ein Nachtgewand erinnerte, erschien er ihr so harmlos wie ein Bruder. „Es ist sehr aufmerksam von Euch, Euch nach ihrem Befinden zu erkundigen. Ich danke Euch.“
„Es wäre ärgerlich, wenn ich meine Kapitalanlage verlöre, oder etwa nicht?“
Seine Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Einen kurzen Moment hatte Harriet sich ihm nahe gefühlt, fast seelenverwandt, doch als sie ihn nun ansah, wusste sie, dass er seine Pläne für sie und Marguerite nicht ändern würde, und das Herz wurde ihr schwer.
Wahrscheinlich war er einmal ein englischer Gentleman gewesen, doch wie es schien, hatte er seine Vergangenheit gänzlich hinter sich gelassen und war nun ein treuer Gefolgsmann des Kalifen. Wie töricht musste sie sein, dass
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